In einem Liechtenstein-Prozess kam ein Geheim-Dossier zum Vorschein. Bis zu 1.850 weitere Geheimkonten sollen darauf sein.
Hunderte weitere Steuersünder mit Schwarzgeld in Liechtenstein stehen vor ihrer Enttarnung. Eine Strafverteidigerin überreichte dem Rostocker Landgericht zahlreiche Hinweise auf bisher unbekannte Konten deutscher Kunden.
Doch keine neuen Datenblätter?
Der Staatsanwalt sieht die
Sache jedoch anders: Die Kontodaten seien keine zusätzlichen Belege.Es
handle sich um die Belege, mit denen die Liechtensteinische Landesbank LLB
um neun Mio. Euro erpresst worden sei und die sich im Besitz der drei
Angeklagten befunden haben, so Staatsanwalt Peter Lückemann. Er widersprach
damit der Rechtsanwältin des Hauptangeklagten, Leonore Gottschalk-Solger.
Diese hatte am Montag gesagt, es handle sich um neue Datenblätter. Ziel der
Übergabe sei es gewesen, dass die Geschäfte der Bank überprüft werden.
Daten von 1.800 deutschen Kunden
Zuvor hatte die
Staatsanwaltschaft in Rostock nach eigenen Angaben in einem Erpresserprozess
um Schwarzgeldkonten Unterlagen mit Daten von voraussichtlich über 1.800
deutschen Kunden der Liechtensteinischen Landesbank LBB erhalten. Diese
würden nun von Steuerfahndern ausgewertet, sagte der Sprecher der
Anklagebehörde, Oberstaatsanwalt Peter Lückemann, am Montag. Diese prüften
nun, ob die aufgeführten Einkünfte "steuerlich erklärt worden sind". Wo dies
nicht der Fall sei, würden Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Zahlreiche Ärzte
Viele der Kunden wohnen der "SZ§ nach
in Süddeutschland und im Rheinland. Bei zahlreichen von ihnen handle es sich
um Mediziner. Auf den Konten befänden sich "überwiegend
Millionenbeträge", in einigen Fällen sogar in zweistelliger Höhe.
Wenig Relevanz?
Der "Berliner Zeitung" zufolge
bezweifeln aber Experten indes, dass die jetzt ans Tageslicht gekommenen
LLB-Daten automatisch zu Steuerstrafverfahren führen werden. Weil sich in
den Kontensätzen lediglich Daten wie Kontostand, Inhaber und Eröffnungsdatum
befänden, seien sie wesentlich weniger aussagekräftiger für die
Finanzbehörden als die Unterlagen in der Affäre um die Vaduzer LGT-Bank:
Diese Dokumente umfassten sämtliche Urkunden und Unterlagen von
Liechtensteiner Stiftungen, in denen deutsche Steuerpflichtige zum Teil seit
den 80er Jahren ihr Geld versteckt hatten. Mit den Datensätzen der LLB
allein lasse sich ein Anfangsverdacht auf Steuerhinterziehung kaum
begründen, berichtete das Blatt unter Berufung auf Fachleute.
Millionenbeträge
Auf den meisten dieser Konten sollen
Millionenbeträge liegen. Laut "Süddeutscher Zeitung"
weisen die Belege einen Vermögenswert von insgesamt gut drei Milliarden Euro
aus. Damit dürfte der Skandal um im Fürstentum verstecktes Schwarzgeld neue
Dimensionen erreichen. Viele der Kunden sollen in Süddeutschland und dem
Rheinland wohnen; es sollen zahlreiche Mediziner darunter sein.
Zunächst werde geprüft, ob die Zinsen in Deutschland versteuert worden seien, sagte Staatsanwalt Peter Lückemann. Dieser Gedanke liege aber eher fern. "Falls das Geld nicht versteuert wurde, haben wir den Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung. Dann schalten wir die Steuerfahndungsstelle ein." Anders als bei den Schwarzgeld-Ermittlungen der Bochumer Staatsanwaltschaft wolle man mögliche Razzien den örtlich zuständigen Ermittlern überlassen.
Heimliche Kopien
Mit dem bekannteren Fall um illegale Stiftungen
bei der liechtensteinischen LGT-Bank, in dem die Bochumer Staatsanwaltschaft
unter anderem gegen Ex-Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel ermittelt, steht
der Rostocker Fall nicht in Verbindung. Allerdings gibt es eine wichtige
Gemeinsamkeit: Auch im Fall der LLB sollte mit heimlichen Kopien brisanter
Interna Kasse gemacht werden.
Seit April müssen sich vor dem Rostocker Landgericht drei Angeklagte verantworten, die versucht haben sollen, die LLB und Kunden der Bank mit 2.300 Belegen zu erpressen. Im Juli 2005 sollen die Angeklagten 13 Mio. Euro in drei Raten gefordert haben. Um einen Imageschaden zu verhindern, zahlte die Bank laut Staatsanwaltschaft für ein erstes Daten-Paket umgerechnet rund 9 Mio. Euro in zwei Raten.
600 Seiten
Das übrige Dossier habe die Bank für weitere vier
Millionen von dem Rostocker Hauptangeklagten kaufen wollen, schrieb der "Spiegel".
Dazu sei es allerdings nicht mehr gekommen, weil der mehrfach vorbestrafte
Hauptverdächtige Michael F. im September mit 452.000 Euro im Gepäck vor
seinem Abflug nach Thailand verhaftet wurde.
Am Freitag legte seine Anwältin Leonore Gottschalck-Solger dem Gericht dann eine Tüte mit einem Stapel kopierter Kontobelege vor. Laut Staatsanwalt Lückemann handelt es sich um 600 Seiten mit jeweils zwei bis vier Namen von Kontoinhabern. "Wir konnten bisher noch nicht zählen, wie viele Kunden es genau sind", sagte er.
Überraschende Übergabe
Der Staatsanwalt betonte, die
Übergabe der Daten sei überraschend gekommen: "Uns war nichts
angekündigt worden, und es gab auch keine Absprache mit der Verteidigung.
Die Daten sind ganz freiwillig überreicht worden." Die "Frankfurter
Rundschau" zitierte einen Sprecher des Landgerichts mit den Worten, die
Kooperation mit dem Gericht könne sich strafmildernd für den Angeklagten
auswirken.
Mit den neuen Hinweisen könnte die Affäre um die LLB ein ähnliches Ausmaß wie die um die LGT-Group annehmen. In diesem Fall wird laut Bochumer Oberstaatsanwaltschaft gegen 350 Personen ermittelt, weitere 420 Fälle werden geprüft. Seit Februar trieb die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben 110 Mio. Euro an Nachzahlungen ein. Mitte Juli wurde ein Immobilienmakler im bundesweit ersten Prozess zu einer Geldauflage in Höhe von 7,5 Mio. Euro verurteilt.