Die Verluste der Immo-Krise belaufen sich auf "bereits 100 Milliarden". Eine Billion Dollar an zweitklassigen Immo-Krediten seien noch ausständig.
Die US-Notenbank schließt hunderte Milliarden Dollar weiterer Verluste bei Finanzinstituten nicht aus und zeichnet ein düsteres Bild für die US-Wirtschaft. Die Abschreibungen infolge der Subprime-Krise könnten mehrere hundert Milliarden erreichen.
Die Marke von einer halben Billion Dollar Verluste werde zwar nicht überschritten, sagte Fed-Chef Ben Bernanke am Donnerstag vor einem Ausschuss des US-Kongresses. Bei 100 Milliarden Dollar sei man aber bereits jetzt - und ein Mehrfaches davon könne noch auf die Banken zukommen.
Trübe Aussichten für US-Wirtschaft
Auch habe sich der
Ausblick für die Wirtschaft weiter verschlechtert und die Abwärtsrisiken für
das Wachstum seien größer geworden.
Fed werde Rezession entgegen wirken
Die Fed sei aber bereit,
einer Rezession mit "substanziellen Schritten" entgegenzuwirken, sagte
Bernanke. Einige Analysten werteten dies als Indiz dafür, dass die Fed den
Zins bei ihrer Sitzung Ende Jänner um bis zu 75 Punkte auf dann 3,5 Prozent
senken könnte.
Führt die Aussicht auf Zinssenkungen an der Börse oft zu steigenden Kursen, blieb dies jetzt aus: Die Märkte in den USA und Europa gaben auf breiter Front nach. Dazu trugen Händlern zufolge aber nicht so sehr Bernanke, sondern negativ aufgenommene US-Konjunkturdaten, neue Milliardenabschreibungen bei Merrill Lynch wegen der Hypothekenkrise und eine drohende Abwertung von US-Anleiheversicherern bei. "Es hat sich bestätigt, was wir alle denken, nämlich dass sich die US-Wirtschaft schnell in eine Rezession dreht", sagte Analyst Greg Salvaggio von Tempus Consulting.
Derzeit eine Billion Dollar Außenstände
Der Bereich
zweitklassiger Hypothekenkredite habe derzeit Außenstände von einer Billion
Dollar, rechnete Bernanke vor. Diese verteilten sich auf etwa fünf Millionen
Kreditnehmer, wovon etwa 20 Prozent zahlungsunfähig seien.
"Ein Mehrfaches der bisher 100 Mrd. Dollar Verluste möglich"
"Ich
sehe bisher etwa 100 Milliarden Dollar Verluste, aber es könnte zweifellos
ein Mehrfaches davon geben, wenn in der nächsten Zeit die Zahl der
Zahlungsunfähigen und der Zwangsvollstreckungen steigt."
Ankurbelung der US-Wirtschaft mit 150 Mrd. Dollar
Bernanke und
US-Regierung sind sich indes einig, dass ein milliardenschweres
Konjunkturprogramm der Wirtschaft helfen kann. Ein Anschub durch die
Steuerpolitik könne durchaus sinnvoll sein, sagte Bernanke. Präsident George
W. Bush wollte noch am Donnerstag mit Kongress-Abgeordneten beider Parteien
darüber sprechen. Umfang und Details sind noch nicht bekannt. Es zeichnet
sich aber ab, dass Abgeordnete beider Parteien im Jahr der Präsidentenwahl
die Wirtschaft mit bis zu 150 Mrd. Dollar ankurbeln wollen. Damit wollen sie
auch die Kaufkraft der Verbraucher stärken, die unter anderem unter
fallenden Häuserpreisen und hohen Benzinkosten leiden.
Fed geht nicht von Rezession aus
Die Fed geht Bernanke zufolge
noch nicht von einer Rezession aus. Einer weltweiten Reuters-Umfrage zufolge
beziffern Banken die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession aber mittlerweile
im Schnitt auf 45 Prozent. Neben der Immobilienkrise haben zuletzt ein
kräftiger Anstieg der Arbeitslosigkeit, eine nachlassende Industrietätigkeit
und sinkende Einzelhandelsumsätze die Furcht geschürt, dass die USA in eine
Rezession abrutschen könnte. Volkswirte sprechen davon dann, wenn die
Wirtschaftsleistung in zwei Quartalen in Folge schrumpft.
EU-Finanzminister: Turbulenzen wenig Einfluss auf Realwirtschaft
Unterdessen
sprachen sich die Finanzminister der vier größten EU-Länder für mehr
Transparenz an den Finanzmärkten aus. Frankreichs Ressortchefin Christine
Lagarde sagte in Paris, darin sei sie sich mit den Kollegen aus Deutschland,
Italien und Großbritannien einig. Dies gelte vor allem für strukturierte
Finanzinstrumente wie verbriefte Hypothekenkredite. Die Turbulenzen hätten
aber die Realwirtschaft nicht getroffen, sagte Lagarde. Auch die
Auswirkungen auf Europas Finanzmärkte seien begrenzt. Bundesfinanzminister
Peer Steinbrück sagte, die Turbulenzen würden wohl noch monatelang anhalten.