Viele Kleinaktionäre reagierten auf der Hauptversammlung empört. Für drei Milliarden Euro sollen rach 90 Prozent übernommen werden.
Der Weg für die komplette Verstaatlichung der Hypo Real Estate AG ist frei. Trotz wütender Proteste von Kleinaktionären stimmte die Hauptversammlung der notwendigen Kapitalerhöhung am Dienstagabend mit 74 Prozent zu. Damit kann der Bund in Deutschland gegen eine Kapitalspritze von drei Milliarden Euro seinen Anteil an der Pfandbriefbank sofort von 47 auf 90 Prozent erhöhen und anschließend den US-Investor Christopher Flowers wie alle übrigen Aktionäre gegen Zahlung einer Abfindung ganz aus dem Unternehmen drängen. Eine Enteignung nach dem Rettungsgesetz wird unnötig.
Ohne Staat nicht überlebensfähig
Die Bank sei ohne die
Staatsbürgschaften über 100 Milliarden Euro sowie weitere kräftige
Kapitalerhöhungen nicht überlebensfähig, betonte Vorstandschef Axel Wieandt.
"Wir hätten bereits Insolvenz beantragen müssen", sagte er. Wegen hoher
Abschreibungen und drohenden Kreditausfällen bei Gewerbe-Immobilien sei
dieses und nächstes Jahr erneut mit roten Zahlen zu rechnen. Weil der Staat
die investierten Steuergelder sichern wolle, sei eine 100-prozentige
Übernahme ohne Alternative.
Aktionärsschützer warfen nicht nur dem früheren Bankvorstand, sondern auch den Aufsichtsbehörden Versagen vor: "Jetzt müssen wir denen, die für den ganzen Mist verantwortlich sind, auch noch unsere Aktien geben", empörte sich Harald Petersen von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). SdK-Sprecher Petersen sagte, der Staat führe sich auf "wie eine Heuschrecke". Eine vollständige Verstaatlichung sei unnötig und widerrechtlich, sagte seine Kollegin Daniela Bergdolt von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Empörung
Mit Pfeifkonzerten, Buhrufen und Sprechchören
machten Kleinaktionäre ihrer Empörung Luft. Der Chef des staatlichen
Bankenrettungsfonds SoFFin, Hannes Rehm, wurde niedergebrüllt, als er vor
den 1.900 versammelten Anlegern sagte, die HRE könne "nicht mit einer bloßen
Mehrheitsbeteiligung des Staates" gerettet werden. "Wir müssen ausschließen,
dass die erforderliche Umstrukturierung durch Einzelinteressen gravierend
verzögert, verteuert und kompliziert werden kann": Mit solchen Störmanövern
gebe es leidvolle Erfahrungen, sagte Rehm. Als Staatsbank komme die Bank
auch viel billiger wieder an Geld und mittelfristig wieder in die
Gewinnzone. Ein Zusammenbruch der Pfandbriefbank würde die Folgen des
Zusammenbruchs der US-Bank Lehman Brothers "weit in den Schatten stellen",
warnte Rehm.
Bergdolt sagte, das Grundrecht auf Eigentum werde der politischen Opportunität geopfert. Der alte HRE-Vorstand habe kriminell gezockt und die Bank "in den Ruin gefahren". Aber das Desaster sei "auch das Ergebnis eines eklatanten Versagens unseres Staates, eine funktionsfähige Bankaufsicht auf die Beine zu stellen", sagte Bergdolt unter dem Beifall der Aktionäre. Ein Vertreter von Flowers, der bereits mit Klagen gegen seinen Ausschluss gedroht hatte, meldete erneut "erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit" der Verstaatlichung an.
Bedrohliche Lage
Wieandt zeichnete ein bedrohliches Bild von der
Lage der Bank und sagte: "Das Überleben kann nur von dem SoFFin kommen." Das
riskante Geschäftsmodell der Tochter Depfa habe die HRE in Existenznot
gebracht. Die erforderliche Mindestkapitalquote sei deutlich unterschritten.
Die Problemkredite bei Gewerbeimmobilien summierten sich auf 7,3 Milliarden
Euro. Die jetzt beschlossene Kapitalerhöhung werde nicht reichen. Die
Sanierung werde mehrere Jahre dauern. Die HRE müsse sich aus der
Infrastrukturfinanzierung, dem Kapitalmarktgeschäft und den Schwellenländern
zurückziehen. Künftig konzentriere sie sich auf Immobilienfinanzierung in
Europa und auf Staatsfinanzierung mit Pfandbriefen. Die HRE habe bereits
fünf Standorte geschlossen, einzelne Tochtergesellschaften verkauft und den
Abbau von 300 der 1.800 Stellen vereinbart.