Immer mehr Milchbauern proben den Aufstand: Bereits ein Fünftel streikt. Das Gipfelgespräch brachte vorerst keine Einigung.
Die Landwirtschaftskammer Österreich (LWK) will beim Handel und den Molkereien eine Anhebung des Bauernmilchpreises um 2 Cent durchsetzen, um die erhöhten Produktionskosten abdecken zu können. Ein erstes Spitzengespräch dazu hat am Montag stattgefunden, ist aber ohne konkretes Ergebnis geblieben. Man habe sich darauf geeinigt, in den nächsten Tagen weitere Gespräche zu führen, sagte Kammerpräsident Gerhard Wlodkowski im Anschuss an das Gipfeltreffen.
"Harte, aber faire" Verhandlungen
Die Verhandlungen
seien "hart, aber fair" gewesen und hätten dazu gedient, "die Standpunkte
auszutauschen". Ziel seitens der LWK sei es gewesen, die
"Eskalationsschraube" bei den heimischen Milchbauern nicht weiter anzuheben
und zu versuchen, den Markt und die Preise zu stabilisieren. Dazu sei es
notwendig, die in Österreich vergleichsweise höheren Vorkosten "abgedeckt zu
wissen", wie Wlodkowski sagte.
Weitere Treffen vorgesehen
Vom Handel gab es laut Kammer vorerst
einmal nur "ein klares Bekenntnis zur heimischen Landwirtschaft und zu
regionalen Produkten". Man habe weitere Gespräche in den nächsten Tagen
vereinbart, hieß es, wobei weder Vertreter der am Spitzengespräch anwesenden
Handelsunternehmen Rewe, Spar und Hofer noch der Präsident des
Molkereiverbandes, Günther Geiselmayr, für die Presse zur Verfügung standen.
Stimmung "aufgeheizt und emotional"
"Wir von der
Bauernvertretung werden jedenfalls alles daran setzen, dass das wertvolle
Lebensmittel Milch nicht als Schleudermittel oder Lockmittel im Handel
verwendet wird", sagte Wlodkowski. Bei den Bauern sei die Stimmung
jedenfalls "sehr aufgeheizt und emotional". Durch die Verhandlungen hofft
der Kammer-Präsident, die "Lage zu deeskalieren".
Entscheidend werde aber sein, welches Signal die Molkereien in den nächsten Tagen an die Milchbauern aussenden, zumal die Kammer den Milchpreis nicht festsetze, sagte Wlodkowski. Seitens der Industrie hieß es jedenfalls, man wolle versuchen, die aktuellen Preise zu halten und werde dahingehend mit dem Handel Gespräche führen.
Um ein Fünftel weniger Milch
Der Lieferboykott der
Milchbauern weitet sich in Österreich jedenfalls aus. Laut Molkerei-Verband
wurde heute um ein Fünftel weniger Milch an die Molkereien angeliefert, mit
regional starken Schwankungen, wie Verbands-Geschäftsführer Johann
Költringer sagte. Die Organisatoren des Milchstreiks, die IG Milch, sprechen
von "mindestens 50 Prozent weniger Milch", die die Milchbauern
österreichweit abgeliefert haben.
Erste Molkerei schließt
Laut einer Aussendung der IG Milch
soll unterdessen auch bereits die erste Molkerei mangels Milch die
Produktion eingestellt haben. Dem Vernehmen nach handelt es sich um ein Werk
der Gmundner Molkerei. Ebenfalls knapp vor dem Produktionsstopp soll die der
NÖM gehörende südburgenländische Molkerei Mona stehen. Die NÖM sagte auf
Anfrage, dass "keine Gefahr gegeben" sei, bestätigte aber
gleichzeitig Liefer-Ausfälle von über 50 Prozent.
Bei der Salzburger Käserei Woerle in der Flachgauer Gemeinde Henndorf versucht man jetzt, die Mitarbeiter vorzeitig in den Sommerurlaub zu schicken, "weil es derzeit weniger Arbeit gibt und wir sonst fürs Nichtstun zahlen", wie Firmenchef Gerhard Woerle bestätigt. Der Milch-Lieferboykott sei schon schwer zu spüren, hieß es: Üblicherweise werden pro Tag 170.000 Liter Milch angeliefert, "derzeit ist es gerade noch die Hälfte", sagte Woerle. Zudem fielen jetzt doppelt so hohe Kosten für Transporte an.
(c) IG-Milch, ein Bauer schüttet demonstrativ Milch weg
Grenze zu Deutschland besonders betroffen
Der Boykott greift
demnach am stärksten in den Grenzregionen zu Deutschland, wo die
europäischen Bauernproteste gegen den gesunkenen Milchpreis ihren Ursprung
haben. Die größten Ausfälle habe es dabei in Oberösterreich und Salzburg
gegeben, hieß es. Aber auch die zur NÖM zählende Molkerei Mona im
burgenländischen Oberwart war laut IG Milch stark betroffen: "Mona
ist zu 86 Prozent trocken", so der Obmann der IG Milch, Ewald
Grünzweil.