Proteste auch am Brenner - Richtungswechsel in EU-Milchpolitik gefordert.
Hunderte Milchviehhalter haben in ganz Deutschland mit "Milchseen" gegen die Talfahrt der Preise protestiert und mehr staatliche Hilfe gefordert. Wenige Tage vor der deutschen Bundestagswahl kippten die Bauern vor den Landwirtschaftsministerien in mehreren Bundesländern Milch in Becken und Wannen und weiteten ihre Aktionen damit aus. Auf Plakaten stand: "Wer Bauern quält wird nicht gewählt".
Italiens Bauern
Der Protest ging nicht nur in Deutschland weiter: Wütende
Milchbauern machten auf der italienischen Seite des Brenners ihrem Ärger
über die Milchpolitik der EU-Kommission Luft. Bayern verlangte einen
Richtungswechsel und forderte eine Senkung der Milchmenge.
Ein Schwimmbad voller Milch
In Stuttgart füllten Hunderte
Landwirte vor dem baden-württembergischen Agrarministerium ein "Schwimmbad"
mit rund 25.000 Litern Milch. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher
Milchviehhalter machten 500 Bauern mit, die Polizei sprach von 250
Teilnehmern. Auch vor den Landwirtschaftsministerien in Hannover, Kiel,
Magdeburg, Mainz, Saarbrücken und Schwerin kippten Hunderte Viehhalter Milch
in Becken. In Rosenheim in Bayern sammelten sich mehr als 50 Schlepper.
Bauern gossen rund 500.000 Liter Milch auf die Felder. Im Münsterland
protestierten bis zu 100 Bauern vor dem Molkerei-Riesen Humana Milchunion in
Everswinkel.
Milchpreis
Deutsche Milchbauern bekommen für einen Liter
Milch derzeit zwischen 20 und 27 Cent, in Österreich sind es etwa 25
Cent. Die Milchbauern fordern einen Preis von rund 40 Cent, um kostendeckend
zu arbeiten. Der deutsche Milchviehhalterverband fordert, dass die
Milchmenge mit staatlichen Eingriffen gesenkt wird. Dies ist umstritten.
Außerdem verlangen sie, dass die Milchquote - die EU-weite Obergrenze der
Produktion - nicht steigt.
Kritik
Der Deutsche Bauernverband kritisierte die Aktionen der
Milchviehhalter. Die Proteste würden zunehmend radikal, wenn von
"Bauernmördern" oder "Strohmännern der Milchmafia" gesprochen werde. Er
wandte sich auch gegen die Vernichtung von Milch. In Sachsen-Anhalt hatte
der Protest am Rande der Agrarministerkonferenz in der vergangenen Woche
vermutlich ein Fischsterben ausgelöst.
EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel hatte ein Hilfspaket vorgelegt, das den EU-Staaten mehr Aufkauf von Milchmenge ermöglichen und die Marktmacht der Erzeuger stärken soll. Die Erhöhung der Milchquote wird nicht gestoppt. Die Bundesregierung hält die Hilfen nicht für ausreichend. Mit Polen verlangen inzwischen 19 von 27 EU-Ländern mehr Unterstützung von Brüssel.