Börsen-Talfahrt
Kursgemetzel geht nun in Asien weiter
16.09.2008
Die Wall Street schloss mit den größten Verlusten seit dem 11. September. Die Krise erfasst Asiens Börsenplätze - und sorgt für Kursstürze.
Nach dem Bankrott der US-Bank Lehman Brothers kommen die internationalen Finanzmärkte nicht zur Ruhe. Nachdem die Wall Street am Montagabend mit den größten Verlusten seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 geschlossen hatte, setzte sich am Dienstag in der Früh das Kursgemetzel an den asiatischen Börsen fort.
Nikkei - tiefster Stand seit drei Jahren
Mit massiven
Kursstürzen hat Tokios Aktienbörse am Dienstag nach einem Feiertag auf die
schweren Bankenkrise in den USA reagiert. Der 225 führende Werte umfassende
Nikkei sackte deutlich unter die psychologisch wichtige Marke von 12.000
Punkten. Zum Handelsende notierte das Börsenbarometer einen heftigen
Abschlag von 605,04 Punkten oder 4,95 Prozent bei 11.609,72 Punkten. Der
breit gefasste TOPIX brach um 59,63 Punkte oder 5,07 Prozent auf den
Endstand von 1.117,57 Zählern ein. Am Vortag waren Japans Aktien- und
Finanzmärkte wegen eines nationalen Feiertages geschlossen.
Europas Börsen weiter unter Druck
Die europäischen Börsen
sind am Montag nach den Kurseinbrüchen vom Vortag erneut mit starken
Verlusten in den Handel gestartet. Der deutsche Aktienindex DAX fiel an der
Frankfurter Börse bis 9.15 Uhr um 1,7 Prozent auf 5.959 Punkte. Der
Euro-Stoxx-50 fiel um 1,9 Prozent auf 3.090 Punkte. Für den Wiener ATX lagen
bis dato noch keine Notierungen vor.
Unter den größeren Verlierern fanden sich vor dem Hintergrund der Finanzkrise wie schon vom Vortag Bankwerte wie Deutsche Bank, Barclays, Lloyds oder UBS mit Verlusten von mehreren Prozent. Auch Versicherer zeigten sich schwach, nachdem mehrere Ratingagenturen wie befürchtet ihre Ratings für den US-Versicherer AIG gekürzt hatten.
Dow Jones rutscht ab
An der Wall Street in New York hatte der
Dow-Jones-Index am Montag 504,48 Punkte abgegeben und lag zu Börsenschluss
um 4,42 Prozent unter der Vortagsnotierung bei 10.917,51 Zähler. Heftige
Verluste gab es auch an den lateinamerikanischen Börsen. In Sao Paulo
rutschte der Bovespa-Index um 7,95 Prozent auf den tiefsten Stand seit
sieben Jahren ab, in Buenos Aires gab der Merval-Index 5,19 Prozent nach.
Der IPC-Index in Mexiko-Stadt kam mit minus 3,79 Prozent vergleichsweise
glimpflicher davon. Der ATX hatte am Montag um 3,65 Prozent auf 3.199,8
Punkte verloren.
Japans Notenbank pumpt 10 Milliarden Euro in den Markt
Unterdessen
pumpte die japanische Zentralbank laut Medien 1,5 Billionen Yen (10
Milliarden Euro) in den Finanzmarkt. Notenbankgouverneur Masaaki Shirakawa
erklärte, sein Institut werde sich weiterhin bemühen, die Märkte zu
stabilisieren. Die Bank von Japan (BoJ) beginnt am Dienstag unter dem
Eindruck der Krise in den USA ihr zweitägiges Zentralbankrats-Treffen.
Ökonomen erwarten, dass die Notenbank ihren Zinssatz von 0,5 Prozent
unverändert lässt.
Lehman Brothers hatte sich in der Nacht auf Montag (Ortszeit) für zahlungsunfähig erklärt und Gläubigerschutz beantragt, nachdem Rettungsversuche und die Suche nach einem Käufer gescheitert waren. Das "Wall Street Journal" berichtete jedoch am Montagabend (Ortszeit), dass Lehman weiterhin Gespräche mit dem am Sonntag abgesprungenen potenziellen Käufer Barclays führt. Lehman wolle große Teile seines Geschäfts an die Briten verkaufen. Das Kerngeschäft würde dabei in Barclays aufgehen, hieß es weiter.
Als möglicher Käufer von Lehman hatte auch die Bank of America gegolten, die aber am Montag überraschend den Kauf der ebenfalls angeschlagenen Investmentbank Merrill Lynch für 50 Milliarden Dollar (35,3 Mrd. Euro) bekanntgab. Allerdings kündigte noch am Montag eine New Yorker Rechtsanwaltskanzlei eine Klage gegen die Fusion an. Ein Anleger wolle gegen beide Banken wegen der "unfairen Bedingungen" der Transaktion vorgehen, hieß es.
AIG massiv unter Druck
Das Interesse der Anleger wandte sich
indes immer mehr dem ebenfalls angeschlagenen Versicherungskonzern AIG zu.
Wie dramatisch die Lage ist, zeigt ein angebliches Ersuchen der US-Notenbank
Fed an die beiden Großbanken JPMorgan Chase und Goldman Sachs, AIG bis zu 75
Milliarden Dollar (53,0 Mrd. Euro) an Krediten zu gewähren. Bei Gesprächen
mit den beiden Instituten habe die Fed auch eine Reihe weiterer
Möglichkeiten angesprochen, sagte ein Insider am Montag der
Nachrichtenagentur Reuters. Einem Bericht der "New York Times"
zufolge hatte AIG die US-Notenbank um einen Überbrückungskredit von 40
Milliarden Dollar gebeten, um eine Herabstufung des Kreditratings zu
verhindern. Die Aktien des weltweit zweitgrößten Versicherers American
International Group verloren am Montag 60,8 Prozent auf 4,76 Dollar.
Rating-Agenturen stufen AIG ab
Die drei wichtigsten
Rating-Agenturen der Welt haben in der Nacht auf Dienstag den angeschlagenen
US-Versicherungsriesen AIG herabgestuft. Moody's senkte ihre Bewertung für
den weltgrößten Versicherungskonzern auf A2 von Aa3, Standard &
Poor's auf A-Minus von AA-Minus und Fitch auf A von AA-Minus. Alle drei
Institute erklärten, weitere Herabstufungen der Kreditwürdigkeit von AIG
könnten folgen.
AIG hat infolge der Kreditkrise deutliche Kursverluste erlitten. Sollten Rating-Agenturen die Bonität der weltweit zweitgrößten Versicherung über einen gewissen Punkt hinaus herabstufen, könnten Geschäftspartner ihr Kapital abziehen. Dies könnte den Konzern innerhalb von Stunden an den Rand des Konkurses bringen, berichten US-Medien.
30.000 Jobs in Gefahr
Der Gouverneur des Bundesstaates New
York, David Paterson, sagte, dass durch die Bankenkrise bis zu 30.000
Stellen an der Wall Street in Gefahr seien. Eine Hiobsbotschaft kam auch vom
Computerkonzern Hewlett Packard. Er kündigte nach Börseschluss an, in den
kommenden drei Jahren 24.600 Jobs zu streichen, 7,5 Prozent aller
Arbeitsplätze in dem kürzlich mit Electronic Data Systems fusionierten
Unternehmen.
Foto: (c) AP