Nun findet es sogar die EU-Kommission. Die Preise für Lebensmittel stehen in keinem Verhältnis zur Verteuerung der Rohstoffe.
Die Verbraucherpreise für Lebensmittel in der EU stiegen im Zeitraum Februar 2007 bis Februar 2008 weit stärker als es die Verteuerung der landwirtschaftlichen Rohstoffe rechtfertigen würde. Dies ist die Kernaussage einer Untersuchung der Europäischen Kommission, heißt es in einer Aussendung des Agrarischen Informationszentrums (AIZ) von heute, Mittwoch.
Die Brüsseler Behörde vergleicht darin die Entwicklung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise von Weizen, Mais, Geflügel, Schweine- und Rindfleisch, Butter, Rapsöl, Milch, Käse und Eiern mit den theoretisch anzusetzenden Kostenanteilen der Rohstoffe für die Kalkulation der Verbraucherpreise der daraus erzeugten Lebensmittel und die erhobenen tatsächlichen Endverbraucherpreise, die Konsumenten in der EU im Supermarkt zu zahlen haben.
Krasseste Diskrepanz bei Getreideprodukten
Die krasseste
Diskrepanz deckte die Kommission dabei bei Brot und Getreideprodukten auf:
Weizen wurde im abgelaufenen Jahr zwar um 84 Prozent teurer. Dies hätte aber
wegen des nur geringen Anteils der Rohstoffkosten am Wert des Endprodukts
nur eine Brotpreiserhöhung für die Verbraucher um 3 Prozent gerechtfertigt.
In Wirklichkeit aber hätten die EU-Bürger im Lebensmittelhandel im
Jahresabstand um 10 Prozent mehr für Brot und Gebäck zahlen müssen. Das ist
das Dreifache dessen, was der Kommission angesichts der gestiegenen
Weizenpreise angemessen erscheint.
In Summe über alle erhobenen Produkte, so merkt die Kommission kritisch an, hätten Lebensmittel aufgrund gestiegener Agrarpreise im abgelaufenen Jahr bis Februar 2008 nur um 5 Prozent teurer werden dürfen, seien es aber in der Realität um 7 Prozent.
Enorme Preissteigerungen
Ähnliche Beobachtungen wie bei Brot und
Gebäck machte die Europäische Kommission aufgrund ihrer internen
Berechnungen bei Milch und Käse sowie Eiern, Ölen und Fetten:
Preissteigerungen auf agrarischer Erzeugerseite von 30 Prozent bei Milch, 35
Prozent bei Käse und 17 Prozent bei Eiern hätten nämlich nur Verteuerungen
dieser Produktgruppen von 12 Prozent im Geschäft nach sich ziehen dürfen,
während aber die Verbraucher im Februar 2008 dafür um 15 Prozent mehr als
ein Jahr zuvor bezahlen mussten.
Hätten die Landwirte für die Rohstoffe bei Butter im Beobachtungszeitraum um 21 Prozent mehr bekommen und bei Rapsöl um 63 Prozent, hätten die Verbraucherpreise für Öle und Fette nämlich nur um 8 Prozent anziehen dürfen, sind aber tatsächlich um die Hälfte mehr als der Kommission plausibel erscheint, nämlich um 12 Prozent, in die Höhe geschnellt.
Jedoch auch umgekehrt
Gestiegene Futtergetreidekosten - Weizen
wurde um 84 Prozent, Mais etwa um 28 Prozent teurer - hätten dagegen größere
Preissteigerungen für die Konsumenten an den Fleischvitrinen nach sich
ziehen müssen als dies tatsächlich eingetreten ist: Relativ bescheidene
Mehrerlöse der Landwirte von 9 Prozent für Geflügel, 3 Prozent für Schweine
und 2 Prozent für Rinder hätten 8 Prozent höhere Fleischpreise erwarten
lassen. Verarbeitung und Handel ließen aber nur um 4 Prozent höhere
Fleischpreise für die Verbraucher zu. Bekanntlich steht die
Fleischproduktion in der EU seit der starken Verteuerung ihrer Inputs unter
massivem wirtschaftlichen Druck, weil sie die höheren Produktionskosten nur
ungenügend in steigende Erlöse umsetzen kann.
In der Wirtschaftskammer zeigte man sich in einer Reaktion erfreut, dass die Diskussion um die gestiegenen Lebensmittelpreise nun sachlicher geführt werde. "Es freut mich sehr, dass nunmehr die Diskussion um die exorbitant gestiegenen Lebensmittel differenziert und sachlich geführt wird und die wahren Schuldigen für die erhöhten Lebensmittelpreise, die großen Warenhandelskonzerne, welche sich diese Situation schamlos zu Nutze gemacht haben, ausfindig gemacht wurden. Nunmehr gilt es als bewiesen, dass weder die Biokraftstoffproduzenten noch die Agrarwirtschaft für die exorbitant gestiegenen Lebensmittelpreise verantwortlich sind", sagte Ewald-Marco Münzer, Vorstandsmitglied der Arge flüssige Biokraftstoffe der WKO.