Die explodierenden Getreidepreise treffen nach einer Einschätzung der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) die ärmsten Länder immer härter.
In 37 Ländern weltweit gebe es inzwischen eine Nahrungsmittelkrise, und in zehn Staaten vor allem in Afrika und Asien habe es im vergangenen Monat Unruhen wegen der rasant gestiegenen Preise gegeben, hielt die FAO in einer am Freitag in Rom veröffentlichten Bilanz fest. IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn betrachtet den weltweiten Lebensmittel-Preisanstieg als ebenso großes Problem für die Weltwirtschaft wie die globale Finanzkrise.
Die FAO rief alle Geber und internationale Finanzinstitutionen auf, ihre Hilfe für besonders hart betroffene Länder zu erhöhen. Diese brauchten zusätzlich etwa 1,2 bis 1,7 Milliarden US-Dollar (750 Millionen bis 1,1 Milliarden Euro).
Getreidepreise massiv gestiegen
Die ärmsten Länder der Welt
müssen 2007/2008 rund 56 Prozent mehr für Getreideimporte bezahlen, in
manchen afrikanischen Ländern seien es sogar 74 Prozent mehr, schätzt die
FAO. Der dramatische Anstieg folge auf die bereits erhebliche Erhöhung um
etwa 37 Prozent 2006/2007. Nicht nur die reinen Getreidepreise seien massiv
gestiegen, auch höhere Frachtkosten sowie der Ölpreis wirkten sich aus. Nach
einer FAO-Schätzung werden die weltweiten Lagerbestände an Getreide in
diesem Jahr auf ein 25-Jahres-Tief von nur 405 Millionen Tonnen sinken.
"Ungünstiges Wetter" in den Exportländern könnte die angespannte Lage noch
verlängern und die Preise weiter hochtreiben.
UNO startet Hilfsinitiative
"Steigende Nahrungsmittelpreise
treffen die Armen am härtesten, denn was sie als Anteil ihrer Gesamtausgaben
dafür bezahlen, ist viel mehr als bei einer reicheren Bevölkerung",
erläuterte Henri Josserand, der für ein FAO-Frühwarnsystem für
Notsituationen arbeitet. Die UN-Organisation hat eine Initiative gestartet,
um Bauern in armen Ländern zu helfen, ihre Erträge zu steigern, und
Regierungen der auf Getreideimporte angewiesenen Länder besser für die Krise
zu wappnen.
Versorgungsengpässe
In vielen Entwicklungsländern seien die
Preise für Brot, Reis, Milch und andere Grundnahrungsmittel in den
vergangenen Monaten drastisch gestiegen, heißt es in dem Bericht. Als Gründe
für den Anstieg der Getreidepreise nennt die FAO eine ständig zunehmende
Nachfrage, Versorgungsengpässe und neue Exportrestriktionen.
Auch hohe Ölpreise verantwortlich
Für den seit drei Jahren
zu beobachtenden Anstieg der Nahrungsmittelpreise werden außer Missernten in
Folge von Dürren und Überschwemmungen auch die hohen Ölpreise und der
schwache Dollar verantwortlich gemacht. Hinzu kommen wachsende Importe nach
China und Indien sowie der Boom des Bio-Sprits, der zur Verringerung von
Anbauflächen für Lebensmittel geführt hat. Für Jose Graziano von der für
Lateinamerika und die Karibik zuständigen UN-Agrarorganisation gehören
außerdem internationale Investmentfonds zu den Preistreibern.
Unruhen in zehn Ländern
Der explosionsartige Anstieg der
Lebensmittelpreise und die Verteuerung von Brennstoff haben besonders in
Entwicklungsländern zu Unruhen geführt. Laut FAO gab es solche im
vergangenen Monat in zehn Ländern: Ägypten, Haiti, Burkina Faso und Kamerun
sowie Cote d'Ivoire (Elfenbeinküste), der Senegal, Äthiopien, Indonesien,
Madagaskar und die Philippinen. In Pakistan und Thailand werde Militär
eingesetzt, um zu verhindern, dass Lager geplündert und Getreide von Feldern
gestohlen werde. Die jüngsten Ausschreitungen wurden laut Nachrichtenagentur
Reuters am Donnerstag aus Tunesien gemeldet. Bei den Zusammenstößen seien in
den vergangenen drei Tagen in Redeyef im Zentrum des Landes mehr als 20
Menschen seien festgenommen worden, hieß es in Gewerkschaftskreisen.