Die Razzia gegen Postchef Zumwinkel ist erst der Auftakt: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Tausende Verdächtige - auch Promis.
Nach der Razzia beim scheidenden Deutsche Post-Chef Klaus Zumwinkel rollt eine Welle von Steuerstrafverfahren auf Deutschland zu. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt nach AP-Informationen nicht nur gegen Zumwinkel, sondern gegen 600 bis 700 weitere vermögende deutsche Bürger wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung via Lichtenstein. Dabei soll es sich nach Angaben aus Justizkreisen um Kunden der Liechtensteiner LGT-Bank handeln.
Millionen-Strafe droht
Laut dem Nachrichtenmagazin "Focus"
soll Zumwinkel rund vier Millionen Euro an das Finanzamt Köln für seine
nicht versteuerten Zinserträge aus der zwölf Millionen schweren Stiftung in
Liechtenstein zahlen. Die Summe setze sich zusammen aus hinterzogenen
Steuern, Zinsen und Geldstrafe. Zumwinkel habe dem Haftbefehl zufolge fast
20 Jahre lang in "konspirativer Weise" versucht, seine Erträge aus
der Anlage bei der Vaduzer LGT-Bank zu verschleiern. Die Bankbelege seien an
die Adresse von Zumwinkels Feriensitz am Gardasee geschickt worden. Andere
Bankdokumente habe sich der 64-Jährige "bis in den asiatischen Raum"
nachsenden lassen
Um die drohende Untersuchungshaft abzuwenden, hinterlegte Zumwinkel laut "Focus" eine Kaution von einer Million Euro sowie eine Vermögens-Abtretungserklärung für die Finanzbehörden.
Fünf Millionen Euro für den Informanten
Die deutschen
Ermittlungsbehörden haben nach Informationen des "Spiegel"
rund fünf Millionen Euro für die Liechtensteiner Bankdaten gezahlt, die zu
einer der größten Steuerermittlungen in der Geschichte der Bundesrepublik
geführt haben. Das Geld aus dem Haushaltstopf des Bundesnachrichtendienstes
(BND) sei an einen geheimen Informanten des BND gegangen, der sich Anfang
2006 bei dem deutschen Auslandsgeheimdienst gemeldet habe, berichtete das
Nachrichtenmagazin. In der Folge habe es im Jahr 2006 mehrere Treffen
gegeben, an denen auch die nordrhein-westfälischen Steuerfahnder
teilgenommen hätten.
Dem Bericht zufolge übergab der Informant zunächst mehrere Stichproben, mit denen die Ermittler die Qualität des Materials begutachten konnten. Anschließend deponierten die Steuerfahnder demnach das Millionenhonorar auf einem Notarkonto. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sei persönlich in die Transaktion eingeweiht gewesen, berichtete der "Spiegel" weiter. In dem Datenkonvolut solle es neben Informationen über mutmaßliche Steuersünder aus Deutschland auch Materialien mit politischer Brisanz geben, darunter offenbar Dienstanweisungen des Liechtensteiner Fürstentums zur Verschleierung von Finanzströmen.
Informant fürchtet um sein Leben
Der geheime Informant, der
die Affäre auffliegen ließ, bangt jetzt um sein Leben. Laut der
Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Spiegel" bat er um Personenschutz.
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Auch Probleme für österreichische Anleger?
Die
Justizermittlungen der deutschen Staatsanwaltschaft in Liechtenstein könnte
aber auch für Anleger auch Österreich unangenehm werden. Es sei durchaus
denkbar, dass die Ermittler dabei auch auf Stiftungen von Österreichern
gestoßen seien, von denen die Finanzbehörden bisher nichts gewusst haben,
sagte der Steuerexperte und der BDO Auxilia Treuhand, Karl Bruckner, am
Freitag. Allerdings ist das österreichische Steuerrecht bei ausländischen
Stiftungen deutlich milder als das deutsche. Außerdem sind Liechtensteiner
Stiftungen bei den österreichischen Privatanlegern deutlich weniger gefragt.
Bundesregierung gibt Abschied von Zumwinkel bekannt
Die deutsche
Bundesregierung gab am Freitag in einem ungewöhnlichen Schritt selbst den
Abschied von Post-Chef Zumwinkel bekannt, bevor sich das Unternehmen
äußerte. Zumwinkel war wegen angeblicher Steuerhinterziehung in
Millionenhöhe über das Fürstentum Liechtenstein ins Visier der Fahnder
geraten. Dabei hatten diese auch einen Haftbefehl ausgestellt.
Merkel total überrascht
Merkel hatte am Donnerstagmorgen
zunächst ungläubig auf die Nachricht von der Hausdurchsuchung bei Zumwinkel
reagiert, wie es in ihrem engen Umfeld hieß. Sie habe mit ihrem Beraterkreis
zusammengesessen, als die Nachricht hereingeplatzt sei. Die Runde habe sich
aber kaum vorstellen können, dass ein Topmanager wie Zumwinkel seinen
Spitzenjob tatsächlich mit Steuerhinterziehung aufs Spiel setzen würde. Der
Fall bewege sich jenseits dessen, was viele und auch sie selbst sich hätten
vorstellen können, sagte sie am Freitag.
Zumwinkel war am Donnerstag von der Staatsanwaltschaft vernommen worden, weil er rund eine Million Euro Steuern über Stiftungen in Liechtenstein hinterzogen haben soll. Der 64 Jahre alte Zumwinkel stand seit rund 18 Jahren an der Spitze der Deutschen Post.
LGT Group Liechtenstein
Laut ZDF geht es um die LGT Group in
Liechtenstein. Das Unternehmen ist der eigenen Internetseite zufolge eine "Wealth
& Asset Management Gruppe des Fürstenhauses von Liechtenstein".
Ein Sprecher der LGT Treuhand AG sagte, das Finanzinstitut wolle sich
derzeit nicht äußern. Dem ZDF zufolge wurden für die verdächtigen
Geldgeschäfte eine Reihe von Stiftungen gegründet.
Razzien stehen bevor
Das "Handelsblatt" berichtete, in
den kommenden Tagen sollten in ganz Deutschland Razzien anlaufen. Die
Fahnder hätten offenbar massenhaft Unterlagen aus der Bank in Liechtenstein
erhalten. "Wir haben die ganze Bank geknackt", zitierte die
Zeitung einen Ermittler. Bei den Steuersündern handle es sich meist um
reiche und prominente Deutsche. Die Fahnder hofften nun auf zahlreiche
Selbstanzeigen.
Millionen-Pension
Zumwinkel steht nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung
1,07 Mio. Euro Pension im Jahr zu - fast 90.000 Euro im Monat. Das Blatt
berief sich auf den Geschäftsbericht 2006. Das Ruhegeld bezieht sich auf den
fixen Teil von Zumwinkels Gehalt, das 2006 bei 1,43 Mio. Euro gelegen habe.