Die Bauern wollen ihre Milchlieferung einstellen. Der Grund: Sie können von den Abnahmepreisen nicht leben. Die Deutschen streiken seit 2 Tagen.
Der Lieferboykott von Milchbauern nimmt immer mehr europäische Dimensionen an. Den sich ausweitenden Protesten deutscher Bauern gegen die aus ihrer Sicht zu niedrigen Milchpreise schlossen sich Landwirte aus mehreren Nachbarländern an, einige auch aus Österreich. In Deutschland lieferten nach Verbandsangaben auch immer mehr nicht organisierte Bauern ihre Milch nicht bei Molkereien ab.
In Österreich hat die IG Milch die heimischen Milchbauern dazu aufgerufen, ihre Lieferungen an die Molkereien völlig einzustellen. Ersten Meldungen der Milchverarbeiter zufolge ist die Teilnahme am Boykott aber eher gering. Der Handel merkt noch keine Auswirkungen. Die Landwirtschaftskammer hält einen Lieferstopp in Österreich für nicht angebracht, zumal hierzulande die Preissenkungen nicht so dramatisch ausgefallen seien.
Vorarlberg
Die Vorarlberger Großmolkerei-Genossenschaft
"Vorarlberg Milch" ist laut Geschäftsführer Raimund Wachter derzeit nicht
von einem Streik der Milchbauern betroffen. Die weitere Entwicklung sei
jedoch schwer einschätzbar, so Wachter. Zu einem Lieferstopp haben sich
hingegen 15 Landwirte aus Möggers (Bezirk Bregenz) sowie ein Bauer aus
Höchst (Bezirk Bregenz) entschlossen, die eine Molkerei in Deutschland
beliefern.
Steiermark
In der Steiermark dürften sich nicht sehr viele
Milchbauern an dem Aufruf zum Lieferstopp an die Molkereien durch die IG
Milch beteiligt haben. Dies bestätigten die Chefs der drei größten
Molkereien in der Steiermark, der Stainzer Milch, der Obersteirischen
Molkerei (OM) in Knittelfeld und der Ennstal Milch in Stainach am
Donnerstag. Auf Seiten der Molkerei-Vertreter herrschte Verständnis für den
Unmut der Bauern über Preisverfall und gestiegene Kosten.
Oberösterreich
Auch bei oberösterreichischen Molkereien sei
nicht spürbar weniger Milch eingetroffen. Die Produktion ist allerdings für
eine Umstellung gerüstet, um eine geringere Anlieferung auszugleichen. Eine
genaue Auswertung, ob weniger Milche gekommen ist, kann aber erst am Abend
erfolgen.
Kärnten
In Kärnten hat der Aufruf zum Milchstreik am
Donnerstag so gut wie keine Auswirkungen gezeigt. Sowohl in Klagenfurt bei
der Berglandmilch als auch in Spittal bei der Kärntnermilch blieben die
Anlieferungen de facto unverändert. "Milch ohne Ende", nämlich 300.000
Kilogramm, sei geliefert worden, lediglich vier Landwirte hatten sich dem
Boykottaufruf angeschlossen.
Lieferengpässe in Deutschland - Hamsterkäufe
Vom
Wochenende an sei deshalb mit Engpässen in den Kühlregalen der Supermärkte
zu rechnen, sagte eine Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher
Milchviehhalter (BDM) am Donnerstag. Dem widersprach der Hauptverband des
Einzelhandels (HDE). "Es gibt keine leeren Kühlregale, das Angebot ist
völlig komplett, und die Verbraucher können sich darauf verlassen, dass das
auch am Wochenende so bleibt", sagte HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr im
Bayerischen Rundfunk. Dennoch kam es in Deutschland bereits zu ersten
Hamsterkäufen in den Supermärkten.
Von den im Verband organisierten 33.000 deutschen Milchbauern lieferten 95 Prozent derzeit ihre Milch nicht ab. Dadurch könnten bis zu 50 Prozent der täglich produzierten 47 Millionen Kilogramm Milch nicht verarbeitet werden, sagte die BDM-Sprecherin. Die Milch werde auf den Höfen an die Tiere verfüttert, der Rest mit Gülle vermischt und als Dünger auf die Felder ausgebracht. "Das tut den Bauern in der Seele weh", sagte Sprecherin Jutta Weiß. Den Landwirten bleibe aber keine Wahl, weil sie vertraglich verpflichtet seien, ihre Milch ausschließlich an Molkereien zu liefern. Es gebe Bauern, die Milch im Laden kauften und sie dann sozialen Einrichtungen spendeten.
Abnahmepreis von 43 Cent gefordert
Die Bauern wollen mit dem
Boykott einen Abnahmepreis von mindestens 43 Cent pro Liter durchsetzen.
Nach Verbandsangaben ist der Milchpreis seit Jänner um 30 Prozent gesunken,
während gleichzeitig die Produktionskosten um ein Viertel stiegen. Derzeit
wird den Bauern ein Literpreis von 35 bis 45 Cent gezahlt. Auch der Deutsche
Bauernverband, dem der BDM nicht angehört, fordert eine Anhebung der
Milchpreise.
Europäische Proteste
Auch in den Niederlanden und anderen
europäischen Ländern boykottieren Bauern die Molkereien. Am Donnerstag
hätten sie eine Molkerei im Norden der Niederlande blockiert, teilte der
nationale Verband mit. Die Proteste würden noch fünf bis sechs Tage
fortgesetzt. In Dänemark habe der Bauernverband LDM bewirkt, dass die
Molkerei Arla keine Milch mehr an ALDI Nord liefere, teilte die
Interessenvertretung European Milk Board mit. Sie meldete auch
Protestaktionen aus der Schweiz, Belgien und anderen europäischen Ländern.
Voraussichtlich würden sich auch die französischen Milchbauern solidarisch
zeigen, ergänzte der Vizechef der IG Bauen-Agrar-Umwelt, Hans-Joachim Wilms.