Die britische Regierung hat zwei Übernahmeangebote für die angeschlagene Bank zurückgewiesen und stellt sie vorübergehend unter staatliche Kontrolle.
Die durch die US-Immobilienkrise angeschlagene britische Bank Northern Rock soll durch eine vorübergehende Verstaatlichung vor dem Zusammenbruch gerettet werden. Die Regierung habe beschlossen, das Finanzinstitut "für einen befristeten Zeitraum in öffentlichen Besitz zu bringen", teilte der britische Finanzminister Alistair Darling am Sonntag während einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in London mit. Damit gestand die Regierung ein, zwei Übernahmeangebote zurückgewiesen zu haben. Darling sagte, angesichts der aktuellen Marktbedingungen hätten die Angebote für den Steuerzahler keinen angemessenen Wert dargestellt.
Verstaatlichung mit vorübergehendem Charakter
Kandidaten für
eine Übernahme waren der Virgin-Konzern des britischen Milliardärs Richard
Branson und ein leitender Manager der Bank, Paul Thompson. Laut Darling
wurde "jede Option" im Privatsektor geprüft. Der Minister stellte wiederholt
klar, dass die Verstaatlichung nur einen vorübergehenden Charakter habe. Die
Zukunft der Bank müsse "auf lange Sicht im Privatsektor" liegen, betonte er.
Northern Rock werde "zum angemessenen Zeitpunkt" wieder in private Hand
gegeben.
Darling sagte, die britische Regierung werde ein Gesetz vorlegen, das die vorübergehende Verstaatlichung von Northern Rock ermögliche. Der Schritt sei nach ausführlichen Beratungen mit der Zentralbank und mit der Finanzaufsicht erfolgt. Die Bank werde weiter kommerziell tätig sein. Sie werde am Montag und darüber hinaus für Geldgeschäfte geöffnet sein. Das Geld von Kontoinhabern und Sparern sei sicher.
Fünfgrößte Hypothekenbank Englands
Northern Rock
ist Großbritanniens fünftgrößte Hypothekenbank. Die Bank mit Sitz in der
nordostenglischen Stadt Newcastle war im September als erstes britisches
Institut von der US-Immobilienkrise ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen
worden. Die britische Zentralbank (Bank of England) musste laut Gerüchten
einen Notkredit von mehr als 14 Milliarden Euro gewähren, um einen
Zusammenbruch zu verhindern. Der Aktienkurs brach damals ein; besorgte
Kunden stürmten nach Bekanntwerden der Probleme die Schalter der Northern
Rock und hoben ihr Erspartes ab. Die Schlangen vor den Filialen lösten sich
erst auf, als die Regierung erklärte, sie garantiere für die Sicherheit der
Einlagen.
Die Zurückweisung der beiden Übernahmeangebote durch die Regierung dürfte laut Beobachtern sowohl Darling als auch Premierminister Gordon Brown politischen Schaden zufügen. Zuletzt war in den 1970er Jahren ein Unternehmen in Großbritannien verstaatlicht worden. Brown war unter seinem Vorgänger Tony Blair zehn Jahre lang Finanzminister gewesen.
Branson kritisiert Maßnahme
Der Chef des an der britischen
Bank Northern Rock interessierten Virgin-Konzerns, Richard Branson, hat die
Entscheidung für eine vorübergehende Verstaatlichung des Finanzinstituts
kritisiert. Dies sei "nicht die richtige Antwort" auf die Probleme, erklärte
der britische Milliardär am Sonntag in einer Reaktion auf die Bekanntgabe
der Regierung. Sein Unternehmen habe alles versucht, "um Northern Rock und
die Jobs der Angestellten zu retten". Das Virgin-Management habe fünf Monate
lang daran gearbeitet und ein "sehr starkes Angebot" vorgelegt, fügte
Branson hinzu.