Zunächst hat niemand den neuen BAWAG-Chef informiert. "Wie hätten ihm das später eh gesagt", habe ihn Aufsichtsratspräsident Weninger dann getröstet.
Nach zweiwöchiger Verhandlungspause ist Donnerstagfrüh der größte Wirtschaftsprozess Österreichs am Wiener Landesgericht fortgesetzt worden. Mit dem 21. Verhandlungstag begannen die ersten Zeugenaussagen. Insgesamt sollen bis Ende Oktober über 50 Zeugen gehört worden. Bisher haben sich nur die neun Angeklagten zu den Spekulationsverlusten von 1,4 Milliarden Euro bis 2000 geäußert. Die Beschuldigten standen - im Gegensatz zu den Zeugen - nicht unter Wahrheitspflicht.
BAWAG-Chef Nowotny als Erster
Den Anfang machte
BAWAG-Generaldirektor Ewald Nowotny. Im Beisein aller Angeklagten gab er an,
bei seiner Berufung auf den Chefsessel im November 2005 nichts über die
Verluste erfahren zu haben. In ersten Gesprächen mit dem damaligen
BAWAG-Boss Johann Zwettler und Ex-Generalsekretär, Selcuk Sari, sei er mit
keinem Wort darauf hingewiesen worden. Sari habe ihm später gesagt, er habe
eine ausdrückliche Weisung Zwettlers zum Stillschweigen erhalten.
Prüfbericht im Nebenzimmer angeschaut
Erst nach einem
Interview mit der Journalistin Liselotte Palme vom "profil", die
ihn immer wieder gefragt habe, ob er auch alles über die Bank wisse, sei er
misstrauisch geworden, schilderte Nowotny. Daher habe er sich den
Prüfbericht der Nationalbank 2004 anschauen wollen, ihn aber in der BAWAG
nicht bekommen. Schließlich habe er ihn in der Finanzmarktaufsicht "in
einem Nebenzimmer" angeschaut.
Nur Koren informierte ihn
BAWAG-Vorstand Stephan Koren habe ihm
im Dezember 2005 erste konkrete Hinweise gegeben und informiert, dass die
Karibik-Geschäfte wieder aufgenommen worden waren und mit Totalverlusten
endeten. "Das war für mich natürlich völlig neu",
so Nowotny. Damals habe er sogar überlegt, unter dieser Voraussetzung den
Job gar nicht anzutreten.
ÖGB "hätte ihm das später eh gesagt"
Mit
dem damaligen ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch und Ex-Aufsichtsratspräsident
Günter Weninger habe er daraufhin gesprochen, zumal er mittlerweile von der
Haftung von Seiten der Gewerkschaft erfahren hatte. "Ihr habt's mir die
Bankführung übertragen, ohne mich zu informieren", habe er
den ÖGB-Granden vorgeworfen, so Nowotny. Weninger habe geantwortet, "Wir
hätten dir das später ohnehin gesagt". Verzetnitsch habe
gemeint, er hätte angenommen, dass Nowotny informiert gewesen sei.
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Schwere Geschütze gegen Ex-Vorstand
Auf die Frage, welche
Befugnisse der frühere BAWAG-Vorstand möglicherweise missbraucht hätten,
führte Nowotny mehrere Punkte an: die Großveranlagungsgrenzen seien
überschritten worden, die Informationspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat
seien verletzt worden, das Vier-Augen-Prinzip sei bei den Sondergeschäften
nicht eingehalten worden, das Risikomanagement sei mangelhaft gewesen.
Grundsätzlich waren die Verträge der Bank mit dem Investmentbanker Wolfgang Flöttl aus Sicht Nowotnys "problematisch", weil die Chancen und Risiken aus den Geschäften ungleich verteilt waren.
"Nicht vertretbar"
Auch die Prämie für Ex-General
Helmut Elsner und Ex-Vorstand Zwettler für die Fusion der BAWAG mit der
P.S.K. war laut Nowotny "nicht vertretbar" wegen der negativen
Entwicklungen in der Bank. Angesprochen auf die Pension Elsners, die er sich
vorzeitig abfinden ließ, sagte Nowotny: "Ich hätte sicherlich
alles versucht", damit Elsner die Ansprüche verliert.
"Das Papier ist vergiftet"
Der damalige BAWAG-Vorstand
Peter Nakowitz habe ihm im Jänner 2006 ein Papier zur Unterschrift
vorgelegt, so Nowotny. Misstrauisch zeigte er das Papier aber einem
Rechtsexperten. "Nicht unterschreiben, das Papier ist vergiftet",
habe der ihn gewarnt. Nakowitz hatte dem frischgebackenen Bank-Chef
Forderungsverzichte gegen der BAWAG nahestehende Gesellschaften vorgelegt.
Der Verzicht hätte bedeuten können, dass Nowotny gegenüber der Bank Untreue
begeht. Heute fühlt er sich hintergangen.
Verluste in Bilanz kompensiert
Die Darstellung bei der
Pressekonferenz, er übernehme eine "saubere Bank", sei formal
richtig gewesen, unterstrich Nowotny. Die entstandenen Verluste seien in der
Bilanz durch Maßnahmen wie Abschreibungen, Wertberichtigungen oder
Aufwertungen kompensiert worden. Die Spareinlagen der Kunden waren nicht
gefährdet. "Die Bank war als Systembank einfach zu groß um
umzufallen", daher war die Bank gesichert.
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Mit dem heutigen Bundeskanzler und damaligen Oppositionsführer Alfred Gusenbauer (S) habe er vor der Erklärung der Bundeshaftung Anfang Mai 2006 mehrfach Kontakt gehabt, dabei sei aber nicht über diese Materie gesprochen worden. "Ohne die Bundesgarantie hätten wir ein Problem gehabt, die Bank in dieser Form zu halten", so Nowotny. Als Konsequenzen hätten sich in dieser Situation ein rascher Verkauf oder eine Verschmelzung angeboten. Die Bundesgarantie habe es ermöglicht, einen geordneten Verkaufsprozess einzuleiten.
Schwerer Verstoß gegen Sorgfaltspflicht
Die Praxis,
Vorstandprotokolle nachträglich zu "optimieren", ist für
Nowotny ein "schwerer Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht einer
Bankleitung". Aus Gesprächen mit den Mitarbeitern habe er den Eindruck
gewonnen, dass die BAWAG vor seiner Zeit "ein extrem autoritär
geführtes Unternehmen war, speziell in der Ära Elsner".
Elsner als Bauernopfer?
Der frühere BAWAG-Generaldirektor Helmut
Elsner sollte vor den Medien als "Bauernopfer" für die hohen
Spekulationsverluste der früheren Gewerkschaftsbank dargestellt werden,
stellte Elsners Anwalt Wolfgang Schubert bei der Verhandlung in den Raum.
Bevor im März 2006 das wahre Ausmaß des BAWAG-Debakels bekannt wurde, habe
der Kommunikationsexperte Dietmar Ecker in einem Briefing sinngemäß gemeint: "So
eine Geschichte kann man in der Öffentlichkeit nicht erklären, das ist
schwarz-weiß, da muss es einen Schuldigen geben." Nowotny kann
sich an diese Aussagen nicht erinnern, hält es aber für "unwahrscheinlich",
dass Elsner als "schwarzes Schaf" bzw. als Sündenbock dargestellt
werden sollte.
Die Liste der wichtigsten Zeugen:
Zeit |
Name |
Funktion |
9.9., 9.15 Uhr |
Ewald Nowotny |
BAWAG-Chef |
11.9., 9.15 Uhr |
Kurt Faltlhauser |
Bayrischer Finanzminister |
18.9., 9.15 Uhr |
Sandra Rogatsch |
Ex-Elsner-Sekretärin |
19.9., 9.15 Uhr |
Rudolf Hundstorfer |
ÖGB-Präsident |
19.9., 10.30 Uhr |
Fritz Verzetnitsch |
Ex-ÖGB-Präsident |
20.9., 9.15 Uhr |
Anne Eisenhower |
Flöttls Ehefrau |
1.10., 9.15 Uhr |
Franz Vranitzky |
Ex-Bundeskanzler |
1.10., 11 Uhr |
MariaTumpel-Gugerell |
Ex-OENB-Vize-Gouverneurin |
2.10.,9.15 Uhr |
Karl Heinz Grasser |
Ex-Finanzminister |
3.10., 9.15 Uhr |
Herbert Tumpel |
Arbeiterkammerchef |
3.10., 10.15 Uhr |
Erich Foglar |
Ex-BAWAG-Aufsichtsrat |
4.10., 9.15 Uhr |
Hans Sallmutter |
Ex-BAWAG-Aufsichtsrat |
4.10., 14 Uhr |
Ingrid Streibl-Zarfl |
Betriebsratschefin der BAWAG |
8.10., 10.30 Uhr |
Rudolf Nürnberger |
ÖGB-Vizepräsident |
11.10., 9.15 Uhr |
Martin Schlaff |
Unternehmer und Investor |