Diese BAWAG-Prozess-Woche steht ganz im Zeichen der Gutachter-Befragung. Fünf Verhandlungstage sind dazu angesetzt.
Zu einer peinlichen Panne ist es beim Gutachten des Sachverständigen Fritz Kleiner im BAWAG-Prozess gekommen. Der Anwalt von Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner, Wolfgang Schubert, entdeckte auf der ihm übermittelten CD mit dem Gutachten sogenannte "Geisterdateien", in denen frühere Fassungen des Gutachtens gespeichert sind. Laut Schubert hat sich das Gutachten zwischen dem Erstentwurf und der Letztfassung für die angeklagten Ex-BAWAG-Vorstände verschlechtert - was der Sachverständige Kleiner heute entschieden zurückwies.
Vorher-Nachher-Versionen
In Folge projizierte der Elsner-Anwalt
mehrere Passagen mit "Vorher-Nachher-Versionen" des Gutachtens an
die Wand. In jedem einzelnen Fall bestritt Kleiner, dass eine Veränderung
zulasten der Vorstände getroffen worden sei. Er erklärte die verschiedenen
Versionen mit der Überarbeitung von Texten seiner Mitarbeiter bzw. seiner
eigenen Texte, etwa weil er extra in juristischen Kommentaren nachgesehen
habe. So habe er etwa eine Aussage zum Arthur Andersen-Audit zu den
Flöttl-Verlusten gestrichen, in der der Umfang des Andersen-Gutachtens als "angemessen"
bezeichnet wurde. Als Begründung erläuterte Kleiner, er sei nicht zur
Angemessenheit befragt worden, sondern zur Plausibilität des
Andersen-Audits.
Auch ein Vermerk eines Mitarbeiters von Gutachter Kleiner, dass man auf Staatsanwalt Georg Krakow warten müsse, fand sich in einer der temporären Dateien. "Gab es eine Zusammenarbeit mit Krakow?" wollte Elsner-Anwalt Schubert vom Gutachter wissen. Kleiner bestritt jegliche Zusammenarbeit mit dem Staatsanwalt, er habe dem Kollegen allerdings gesagt, "wenn wir etwas nicht gefunden haben im Akt, rufen's den Krakow an, der wird Ihnen sagen wo es steht". Krakow wiederum betonte, er habe im Auftrag des Gerichts auch dem Sachverständigen Unterlagen aus dem elektronischen Akt übermittelt.
BAWAG-Gelder bleiben verschwunden
Schubert wunderte sich auch,
wieso der Passus "Wenn man feststellen wollte, wohin die Gelder
geflossen sind, müsste man die befassten Banken fragen. Eine direkte Anfrage
des Sachverständigen an die befassten Banken wäre wirkungslos",
aus der Letztfassung des Gutachtens gestrichen wurde. Er kenne die Partner
für Flöttls Geschäfte bei den Investment-Banken (Lehman Brothers, Bear
Stearns, etc.) nicht, erläuterte Kleiner. Die Frage des Elsner-Anwalts, "auch
nach Ihrem Gutachten ist vollkommen im Dunkeln, wohin letztlich die
BAWAG-Gelder geflossen sind?", beantwortete der Sachverständige mit
einem lapidaren "Ja".
Flöttl habe in seinem Handelsverhalten seit 1995 auf den fallenden Yen gesetzt, diese Entwicklung sei aber nur kurzfristig und nicht auf Dauer eingetreten. "Er wollte Gewinne machen", meinte Kleiner. Tatsächlich war der Yen in dem Zeitraum allerdings gestiegen. Flöttls Spekulationen, der in verschiedenen Währungen (D-Mark, US-Dollar, australische Dollar, britisches Pfund) auf einen fallenden Yen setzte, seien schief gegangen.
Fragen zur persönlichen Eignung
Schubert fragte Kleiner
auch zu seiner persönlichen Qualifikation und Erfahrung: Bisher habe er im
Zuge seiner Gutachter-Tätigkeit noch nie Geschäfte zu beurteilen gehabt, bei
denen es - wie in diesem Fall - um grenzüberschreitende derivative
Veranlagungen geht, musste Kleiner eingestehen. Kleiner war durch den
Ausfall des ersten Gutachters zum Zug gekommen: Der ursprünglich bestellte
Sachverständige für das Handelsverhalten von Flöttl, der ehemalige Vorstand
der Wiener Börse Christian Imo, war nach einem Ablehnungsantrag der
Flöttl-Verteidiger am 1. Oktober 2007 vom Gericht wieder abbestellt worden.
Die Flöttl-Verteidiger hatten die Ablehnung mit "multipler
Befangenheit" Imos argumentiert. Das Schöffengericht ernannte daraufhin
den Grazer Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner zum neuen Gutachter.
Urteil Ende Februar
Das Urteil im BAWAG-Prozess wird nun für Ende
Februar anvisiert. Richterin Claudia Bandion-Ortner will nach Möglichkeit
den Verhandlungsfahrplan bis Ende des nächsten Monats abschließen. Lediglich
für die Energieferien (11. bis 17. Februar) ist eine einwöchige Pause
geplant, sonst soll durchgängig verhandelt werden.