Die EU bewertet Stimmrechtsbeschränkung und "Goldene Aktie" als Verstoß gegen den freien Kapitalverkehr.
Vor dem höchsten europäischen Gericht werden am kommenden Dienstag die Weichen für die Zukunft des VW- Konzerns gestellt. Wird das VW-Gesetz wie erwartet gekippt, kann der Sportwagenhersteller Porsche die Mehrheit an VW übernehmen. Das deutsche Bundesland Niedersachsen sieht gleichzeitig seine seit mehr als 40 Jahren garantierte Machtposition bei Europas größtem Autohersteller geschmälert.
Klage gegen Deutschland
Die EU-Kommission hatte gegen die
Bundesrepublik Deutschland geklagt, weil das VW-Gesetz aus ihrer Sicht den
freien Kapitalverkehr in der EU behindert. Die Beschränkung von Stimmrechten
mittels "Goldener Aktien" ist der Kommission seit langem ein Dorn im Auge.
EU-Generalanwalt Damaso Ruiz-Jarabo hatte dem Europäischen Gerichtshof
(EuGH) Mitte Februar in einer Anhörung empfohlen, das VW-Gesetz von 1960 zu
kassieren.
Signalwirkung
In der Regel folgen die Luxemburger Richter den
Anträgen ihrer Berater. Das Urteil hat beachtliche Signalwirkung, weil
Brüssel auch andere Mitgliedsstaaten davon abhalten will, mit strategischen
Beteiligungen Übernahmen aus politischen Gründen zu blockieren.
VW-Gesetz
Das während des Nationalsozialismus gegründete
Volkswagenwerk wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als staatlicher Autokonzern
fortgeführt. Mit Beginn der Privatisierung Anfang der 60er-Jahre wurde
das VW-Gesetz geschaffen, um die Rechte der Belegschaft zu schützen und den
Einfluss des Staats auch bei einem Minderheitsanteil zu sichern. Die
Stimmrechte jedes Aktionärs sind seither auf 20 Prozent begrenzt, unabhängig
von der tatsächlichen Beteiligungshöhe. Niedersachsen und dem Bund stehen
per Gesetz zwei Sitze im Verwaltungsrat zu, sofern sie Aktien halten.
Porsche gegen Schutzwall
Der deutsche Bund hat seine Anteile
inzwischen veräußert, Niedersachsen hält gut 20 Prozent. Beschlüsse gegen
die Mehrheit von Arbeitnehmervertretern und dem Land Niedersachsen im
Aufsichtsrat sind damit faktisch ausgeschlossen. Für eine Übernahme müsste
an der Generalversammlung eine Mehrheit von über 80 Prozent stimmen.
Deshalb stößt sich außer der EU auch Porsche an diesem gesetzlichen
Schutzwall, der etwa bei Standortentscheidungen eine hohe Hürde ist.
31 Prozent an VW
Porsche baut und entwickelt seit langem
gemeinsam mit VW Autos und Komponenten. Den möglichen Fall des VW-Gesetzes
vor Augen, hat Porsche seit 2005 schrittweise rund 31 Prozent an VW erworben
- bei Abstimmungen ist dieser Kapitalanteil derzeit wegen des VW-Gesetzes
aber auf ein Stimmengewicht von 20 Prozent begrenzt.
Der Stuttgarter Konzern sieht darin eine Verletzung seiner Eigentums- und Aktionärsrechte. Porsche hätte durchaus die finanziellen Mittel, um die Kapitalmehrheit bei VW zu übernehmen.Der Entscheid des EuGH sei für Porsche sehr wichtig, sagt Konzernchef Wendelin Wiedeking. Bei einer Aufstockung des Anteils an VW müsste Porsche die Aktien über die Börse oder von Dritten außerbörslich erwerben.
Keine Berufung möglich
Die deutsche Bundesregierung als
Beklagte vor dem EuGH sowie das Land Niedersachsen als Begünstigter sehen im
Gesetz keinen Verstoß gegen EU-Recht. Sollte der EuGH das VW-Gesetz nach
mehrmonatiger Prüfung für rechtswidrig erklären, müsste es der Bund ändern
oder streichen. Rechtsmittel gegen den Entscheid gibt es nicht.