Lieferstopp

Russland dreht Gashahn komplett nach Österreich ab

06.01.2009

Österreichs wichtigster Gaslieferant, Russland, hat jegliche Lieferung eingestellt. Nun jagt eine Krisensitzung die nächste.

Zur Vollversion des Artikels
© Reuters
Zur Vollversion des Artikels

Der Lieferstopp von russischem Gas trifft Österreich völlig überraschend. Bereits in wenigen Wochen könnten die Gasvorräte zur Neige gehen. Zunächst wurde für den gestrigen Dreikönigs-Feiertag eine Verringerung der Gaslieferungen um 30 bis 40 Prozent angekündigt.

 

Total-Ausfall
Doch seit Mittwoch früh liefert Russland überhaupt kein Gas mehr an das Verteillager in Baumgarten an der March in Niederösterreich. Seit 1970 liegt dort die Drehscheibe für russisches Erdgas nach Europa. Rund ein Drittel des gesamten westeuropäischen Bedarfes wird mittels Pipelines über diese Station geleitet. Österreich hat zwar gute Beziehungen zu Russland. Da Moskau der Ukraine aber vorwirft, Gas aus den Leitungen unrechtmäßig abzuzapfen, wurden die Lieferungen durch dieses Land zur Gänze eingestellt.

Schlecht für Leitungen
Der russische Energiekonzern Gazprom warnt nun auch vor Schäden an den Gaspipelines, sollten die Lieferungen länger unterbunden werden. Bei diesen eisigen Temperaturen könnte das System ernsthaften Schaden nehmen. Unter normalen Umständen können die Pipelines in 12 bis 24 Stunden wieder hochgefahren werden.

Alle EU-Länder betroffen
Über Nacht und im Lauf des Vormittags haben mehrere EU-Mitgliedsländer einen Lieferstopp seitens Russlands gemeldet. Mittlerweile heißt es aus dem Büro von Energiekommissar Andris Piebalgs, dass fast alle europäischen Länder kein russisches Gas über die Ukraine mehr erhalten. Wenn überhaupt, fließt noch Gas über Weißrussland. Die EU-Kommission hat jetzt eine Beobachtermission vorgeschlagen, die in der Ukraine die aus Russland ankommenden Gaslieferungen messen soll.

Slowakei + Kroatien rationieren
In der Slowakei gelten seit Mittwochfrüh Restriktionen für Großabnehmer. Wer über 633 Megawattstunde (MWh) Gas abnimmt, muss seinen Gaskonsum auf ein Minimum reduzieren. Die Versorgung von Haushalten, Schulen und Krankenhäusern bleibt aber stabil. Kroatien handhabt das Problem ähnlich und kürzt vorerst nur die Versorgung der Industrie.

Hier aktuell: Kommt nun Notverordnung in Österreich?

Bedarf im Winter hoch
In den Wintermonaten ist der Bedarf an Gas besonders hoch. Laut OMV reichen die Vorräte von 1,7 Milliarden Kubikmeter Gas in Österreich etwa drei Monate – jetzt kommt aber die Super-Kälte, der Gasverbrauch steigt daher. Die Vorräte reichen daher nur vier bis acht Wochen – allein von Jänner bis März benötigt Österreich 2,8 Mrd. m³ Gas.

Tägliche Krisensitzungen
Gestern ging darum alles Schlag auf Schlag:

  • Die in Österreich zuständige Energiebehörde E-Control rief für 10 Uhr eine Krisensitzung ein. OMV-Gas-Vorstand Werner Auli: „Wir sind auf diese Situation entsprechend vorbereitet und haben daher zeitgerecht mit dem Zuschalten von Kapazitäten aus den Erdgasspeichern reagiert. Damit ist die Versorgungssituation bis auf Weiteres sichergestellt.“
  • Zu Mittag rief dann ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner für heute, 13 Uhr, einen 30-köpfigen Energielenkungsbeirat ein. Dabei geht es zunächst um den Spitzenbedarf der Industrie. Von der E-Control wird ein Bericht erwartet. Der Minister kann auf Basis der Beratungen eine Verordnung mit Maßnahmen erlassen.
  • Morgen wollen Russland und die Ukraine die seit Silvester unterbrochenen Verhandlungen zur Beilegung ihres eskalierten Gas-Streits wieder aufnehmen.

Bessere Versorgung
„Die Krise zeigt einmal mehr, wie wichtig die Liefersicherheit ist. Man müsste eine zweite Lieferoption aufmachen – etwa mit dem Nabucco-Projekt“, sagt Gas-Experte Johannes Benigni von JBC Energy zu ÖSTERREICH.

Mit der acht Milliarden Euro teuren Nabucco-Pipeline – die OMV ist dabei federführend – soll die Abhängigkeit Europas von russischem Gas verringert werden. 2013 soll erstmals Gas aus dem Kaspischen Meer über die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Österreich strömen. Bis 2020 könnten dann bis zu 31 Mrd. Kubikmeter Gas pro Jahr durch die 3.300 km lange Röhre transportiert werden.

Geht uns schon bald das Gas aus?
Von Jänner bis März wird in Österreich das meiste Gas benötigt, insgesamt 2,8 Mrd. Kubikmeter. In den österreichischen Gasspeichern sind derzeit aber nur noch 1,7 Mrd. vorrätig. In 4 bis 8 Wochen sind die Lager aufgebraucht.

Wird Gas jetzt wieder teurer?
Mittelfristig ist das möglich. Jetzt soll es aber Preissenkungen geben. Die Steirische Gaswärme senkt den Gaspreis ab 1. Februar um 6,4%; Erdgas OÖ & Linz Gas ab 15. Jänner -7,7 %; Wien Energie ab 1. Februar -10 %; EVN ab 15. Jänner -10%.

Warum liefert Putin weniger Gas?
80 % des russischen Erdgases wird durch die Ukraine transportiert. Russland wirft dem Land vor, es zapfe das für Europa bestimmte Gas ab. Aus diesem Grund verweigert Moskau weitere Lieferungen – Österreich ist so betroffen.

Sind wir vom Ausland abhängig?
Unser Erdgasverbrauch liegt bei rund 8 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Ca. 51% der Erdgasaufbringung Österreichs stammt aus Russland, 31% aus Norwegen und anderen Staaten sowie 18% aus österreichischer Gasförderung.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel