Insolvenzreform
Sanierungsverfahren ist neue Chance
18.08.2009
Mit der Reform des Unternehmensinsolvenzrechts sollen Firmen "gerettet statt ruiniert" werden.
Das österreichische Unternehmensinsolvenzrecht soll reformiert werden, um statt einer Zerschlagung stärker die Sanierung zu fördern. Künftig sollen ins Trudeln geratene Unternehmen bei Vorlage eines Sanierungs- und eines Finanzplans nach einer Prüfung durch Gericht und Verwalter ein Sanierungsverfahren in Eigenregie durchführen können. Die notwendige Zustimmung des Gläubigerausschusses soll für den Schuldner erleichtert werden: Nur mehr 50 Prozent Kapitalquote und 50 Prozent Kopfquote sind notwendig.
"Sanieren statt ruinieren"
Noch im August geht der
Gesetzesentwurf des Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG) in Begutachtung,
in Kraft treten soll die Reform mit 1. Jänner 2010. Für
ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner steht besonders die Hilfe für
junge Unternehmen mit wenig Erfahrung bei der Krisenbewältigung im
Vordergrund. Die Wirtschaftskrise habe auch die Produktionsbetriebe schwer
getroffen. Für 2009 rechnet der Minister mit einer Zunahme der
Unternehmensinsolvenzen um 15 Prozent. "Sanieren statt ruinieren" stehe
daher im Mittelpunkt der Reform, das sei letztlich auch im
Gläubigerinteresse.
Privatinsolvenzrecht soll folgen
Die geplante Vereinfachung und
Vereinheitlichung der Rechtslage betont ÖVP-Justizministerin Claudia
Bandion-Ortner: Anstelle der Unterteilung in Konkurs- und
Ausgleichsverfahren werde ein Insolvenzverfahren geschaffen, das bei
rechtzeitiger Vorlage eines Sanierungsplans als "Sanierungsverfahren", sonst
als "Konkursverfahren" geführt wird. Auch das Privatinsolvenzrecht solle
reformiert werden, kündigte die Justizministerin an, einen Zeitpunkt dafür
könne sie noch nicht nennen.
Kapitalquote bei 50%
Das Unternehmensinsolvenzrecht soll dem
US-amerikanischen Chapter-11-Verfahren angenähert werden, dadurch sollen
Anreize geschaffen werden, das Sanierungsverfahren früher einzuleiten. Zur
Annahme eines Sanierungsplans soll künftig ausreichen, dass die zustimmenden
Konkursgläubiger mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der Forderungen auf
sich vereinen, die Kapitalquote sinkt somit von derzeit 75 auf 50 Prozent.
Großgläubiger mit 25 Prozent aller Forderungen können dann eine Sanierung
nicht mehr verhindern. Das Erfordernis der Kopfmehrheit bleibt aufrecht.
Mindestquote von 20%
Auch das Stigma einer Insolvenz soll
vermieden werden: Sobald der Sanierungsplan zur Gänze erfüllt ist, wird die
Löschung aus der Insolvenzdatei veranlasst. Die Eigenverwaltung durch den
Schuldner soll erleichtert werden: Sofern der Schuldner bei der
Verfahrenseröffnung im Sanierungsplan eine Quote von mindestens 30 Prozent
(bisher 40 Prozent) anbietet, soll ihm die Eigenverwaltung unter Aufsicht
eines Verwalters belassen werden. Kann nur eine Mindestquote von 20 Prozent
erfüllt werden, wird trotzdem das Sanierungsverfahren eingeleitet, jedoch
mit Fremdverwaltung.
Bei Konkurseröffnung sollen künftig die bestehenden Gläubigeransprüche ausgesetzt werden: Ähnlich dem Chapter-11-Verfahren werden Kündigungs- und Rücktrittsrechte der Vertragspartner wegen Verzug des Schuldners vor Verfahrenseröffnung für die Dauer von sechs Monaten ausgeschlossen.
Doppelte Frist
Die gesicherten Gläubiger, die etwa Kredite mit
einer Hypothek besichert haben, müssen länger warten: Im Interesse des
Fortbestands des insolventen Unternehmens soll die Frist, während der die
Erfüllung eines Absonderungsanspruchs nicht gefordert werden kann, von
derzeit drei auf sechs Monate verdoppelt werden. Um eventuellen
missbräuchlichen Konkursabweisungen mangels Masse entgegenzutreten, sollen
künftig auch Gesellschafter zum Erlag eines Kostenvorschusses herangezogen
werden.
Durch die Neugestaltung des Insolvenzrechts werde sich "die Spreu vom Weizen" trennen, glaubt Mitterlehner. Unternehmen, die nicht zur Fortführung geeignet sind, werden trotzdem in Konkurs gehen.