Nach dem Überwachungsskandal bei Lidl hat die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auch Vorwürfe gegen die Drogeriekette Schlecker erhoben.
Dort spähten Detektive und Sicherheitskräfte durch Lochwände teils stundenlang in die Verkaufsräume, sagte der Handelssekretär des Verdi-Bezirks Berlin-Brandenburg, Achim Neumann, der "Bild am Sonntag". Mitarbeiter berichteten, dass sie sich in dadurch in ihrem Verhalten und ihrer Leistung "ausgespäht und überwacht" fühlten.
Keine Einzelfälle
Das Problem für die Gewerkschaft sei aber
die Beweisführung. Mitarbeiter, die zu Verdi kämen, fürchteten sich meist,
ihren Job zu verlieren. Schlecker und Lidl seien keine Einzelfälle. "Viele
Diskonter überwachen ihre Mitarbeiter."
Boykott-Aufruf an Verbraucher
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil
legte Verbraucher einen Boykott von Lidl nahe. "Ich bin vorsichtig mit
Boykottaurufen", sagte er der "Bild am Sonntag". "Aber es sollte die
Verbraucher schon interessieren, ob die Menschen in einem Laden nur Jobs
haben oder gute Arbeit, von der sie leben können, die nicht krank macht und
die Würde der Beschäftigten wahrt." Heil verurteilte das Vorgehen von Lidl:
"Wie hier die Würde von Arbeitnehmern verletzt wurde, ist widerlich", sagte
er. "Mitarbeiter wurden wir Knechte behandelt."
"Längst überwundene Methoden"
Auch
Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) übte scharfe Kritik an den
Vorgängen bei Lidl. In einem Gastbeitrag in der "Bild am Sonntag" rief er
die Öffentlichkeit auf, sich hinter die Opfer der Bespitzelung zu stellen:
Es seien Grenzen eindeutig überschritten worden. Politik und Gesellschaft
müssen ein einheitliches Zeichen der Solidarität mit den betroffenen
Lidl-Mitarbeitern setzen. "Die scheinbar systematische Bespitzelung von
Mitarbeitern erinnert an Methoden, die man in Deutschland längst überwunden
glaubte", schrieb Seehofer.
Schärferes Gesetz zum Mitarbeiter-Schutz
Zugleich forderte
der stellvertretende CSU-Chef einen schärferen gesetzlichen Schutz von
Mitarbeitern. Der Vorfall mache deutlich, dass es in Deutschland ein eigenes
Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz geben müsse. In Zeiten der neuen technischen
Möglichkeiten sei ein solches Gesetz ohnehin längst überfällig. Überdies sei
eine exemplarische Geldbuße unvermeidlich. Die zuständigen Behörden seien
aufgefordert, für eine Strafe zu sorgen, die von Großunternehmen nicht aus
der Portokasse bestritten werden könne, erklärte der Minister.