Im milliardenschweren Betrugsfall bei der Societe Generale gerät die Führung der französischen Großbank zunehmend unter Druck.
Das Institut sei schon im November über fragwürdige Transaktionen ihres Händlers Jerome Kerviel alarmiert worden, sagte Staatsanwalt Jean-Claude Marin am Montag. Kerviel selbst habe zudem erklärt, bei der Bank sei es wiederholt zu Verstößen gegen die internen Handelsregeln gekommen. Kerviel hat jüngsten Erkenntnissen zufolge mit fast 50 Mrd. Euro jongliert, was lange Zeit unerkannt blieb.
Kerviel allein verantwortlich
In dem vorliegenden Fall, bei der
Societe Generale ein Schaden von 4,9 Mrd. Euro entstanden sei, habe der
31-Jährige aber allein gehandelt, sagte der Staatsanwalt.
Societe-Generale-Chef Daniel Bouton bekräftigte unterdessen, sein
Rücktrittsangebot liege weiter auf dem Tisch. Er hatte dies bereits in der
Vorwoche angeboten, der Societe-Generale-Verwaltungsrat lehnte das aber ab.
Kerviel auf freiem Fuß
Der Finanz-Jongleur Jérome Kerviel
ist unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt worden. Außerdem sei der
31-Jährige wegen Vertrauensbruchs, Fälschung und Eindringens in ein
Computerdatensystem formell beschuldigt worden, teilte seine Anwältin
Elisabeth Meyer am Montagabend mit. Die Staatsanwaltschaft wollte gegen die
Entscheidung Einspruch einlegen. Zu den Auflagen machte Meyer keine
genaueren Angaben. Es sei keine Kaution hinterlegt worden, sagte sie.
"Kein Fusionszwang"
Unterdessen sagte
Wirtschaftsministerin Christine Lagarde, die zweitgrößte Bank des Landes
stehe nicht unter Fusions-Zwang. Nach Bekanntwerden des Betrugsfalls hatte
es Spekulationen gegeben, Societe Generale könne von BNP Paribas übernommen
werden. An den Finanzmärkten wurde am Montag zudem spekuliert, die britische
HSBC könne an Societe Generale interessiert sein.
Kleinaktionäre verklagen Bank
Die Citigoup stufte Societe
Generale zu Wochenbeginn auf "verkaufen" von "Kaufen"
zurück und halbierte das Kursziel auf 65 Euro. Der Aktienkurs gab weitere
fünf Prozent auf 70 Euro nach. Ein Anwalt von Kleinaktionären erklärte, er
habe die Societe Generale wegen des Umgangs mit dem Fall verklagt.
Verdacht des Insiderhandels
Bei der Bank gibt es jetzt auch den
Verdacht des Insiderhandels. Im Namen von rund 100 Kleinanlegern hat ein
Pariser Anwalt am Montag Anzeige wegen Kursmanipulation und Insiderhandels
erstattet. Im Visier steht das Verwaltungsratsmitglied Robert Day. Der
Präsident der US-Investmentfirma Trust Company of the West (TCW) hatte am 9.
Jänner für 85,74 Mio. Euro Aktien der französischen Großbank verkauft.
Warnung schon im November
Die Terminbörse Eurex warnte nach
Angaben von Staatsanwalt Marin die Societe Generale schon im November 2007
vor Positionen von Kerviel. Zwar habe die Bank den Händler darauf
angesprochen. Kerviel habe aber ein gefälschtes Dokument vorgelegt, das eine
Abdeckung der Risiken vorgetäuscht habe. Die Societe Generale hatte nach
eigenen Angaben bis vor zehn Tagen keine Kenntnis von den nicht genehmigten
Geschäften. Erst bei einer Befragung seiner Vorgesetzten sei die Sache
aufgeflogen.
Auch Kollegen mit illegalen Geschäften
Kerviel sagte dem
Staatsanwalts zufolge zudem, auch seine Kollegen hätten illegale Geschäfte
gemacht. Seit Ende 2005 seien wiederholt interne Beschränkungen zum
Handelslimit überschritten worden. In dem vorliegenden Fall habe Kerviel
nach eigenen Worten aber allein gehandelt und eingeräumt, seine Geschäfte
verschleiert zu haben. Dabei habe der 31-Jährige die Bank nicht schädigen,
sondern seine Händler-Reputation aufpolieren wollen. Der Anwalt Kerviels
sagte Reuters, sein Mandant habe "nicht einen Cent" für sich
genommen. Es gehöre nun einmal zur Arbeit von Händlern, dass sie Risiken
eingingen.