Bis zu minus 20%
Spenden gehen wegen Teuerung massiv zurück
10.10.2008
Die Hilfsorganisationen nehmen teilweise um an die zwanzig Prozent weniger ein. Die Folgen der Finanzkrise sind noch abzuwarten.
Rund 350 Mio. Euro haben die Österreicher im vergangenen Jahr an gemeinnützige Organisation gespendet. Nach drei bis vier Jahre langer Stagnation wird für 2008 ein Rückgang von 10 bis 20 Prozent erwartet, sagte Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria. Schuld ist in erster Linie die Teuerung - die gefühlte wie die reale. Noch keine direkten Auswirkungen auf die Spendenfreudigkeit hat die Finanzmarktkrise, sie werden aber befürchtet. Trotzdem ist Caritas-Präsident Franz Küberl guter Hoffnung: Die Einlagensicherung sei "eine Einladung zum Teilen", meinte er.
Minus bei Caritas
Die Teuerung bei Lebensmitteln, Heiz- und
Wohnkosten bekommen vor allem untere Einkommensschichten zu spüren. Auf der
einen Seite wird dadurch die Zahl der Hilfesuchenden größer, andererseits
werden auch die Spender zurückhaltender. Das merkt man bei den 33
Sozialberatungsstellen der Caritas, die 2007 noch 2,5 Mio. Euro an
Soforthilfen ausbezahlt haben. Dieses Jahr hat der Run, der traditionell vor
Weihnachten einsetzt, schon im September begonnen. "Heuer brauchen wir 3 bis
3,5 Mio. Euro", so Küberl. Im Inland seien die Spenden aber bisher um 10
Prozent zurückgegangen.
Rotes Kreuz betroffen
Auch das Österreichische Rote Kreuz hat in
den vergangenen drei Monaten einen Spendenrückgang von rund 10 Prozent
verzeichnet. Wegen der Teuerung können viele Spender die Mitgliedsbeiträge
nicht mehr leisten. Das ÖRK hat sogar Entschuldigungsbriefe bekommen.
Spender sind keine Spitzenverdiener
Das bestätigt auch
Lutschinger: In Österreich sei der Anteil der spendablen Wenigverdiener
größer als im benachbarten Ausland, Höherverdiener dagegen seien hierzulande
verhältnismäßig knausriger. Der heimische Durchschnittsspender ist älter,
weiblich und gehört nicht zu den Spitzenverdienern.
Generell merken spendensammelnde Organisationen Unsicherheiten in der Bevölkerung sofort. Spenden ist offenbar eine hochemotionale Angelegenheit, Sorgen wirken sich unmittelbar auf die Spendenfreudigkeit aus. In diesem Zusammenhang kritisiert Küberl das Phänomen,"dass auf einmal alle möglichen Leute arm sein wollen." Den wirklich Armen werde damit nichts Gutes getan. Auch Teuerung und Finanzkrise hätten Österreich insgesamt "ja nicht wirklich ärmer" gemacht, gab er zu bedenken.
Hilfswerk und SOS-Kinderdorf
Mit einem - ebenfalls
teuerungsbedingten - Spendenminus von etwa 5 Prozent für 2008 rechnet das
Österreichische Hilfswerk. Von der Kapitalmarktkrise habe man noch nichts
bemerkt, so Harald Blümel von der Bundesgeschäftsstelle des Hilfswerks. Den
gleichen Rückgang verzeichnet SOS-Kinderdorf. Heuer fehlen bereits ungefähr
400.000 Euro - damit könnte 100 Kindern im Jahr der Unterhalt in einem
Kinderdorf bezahlt werden, so Viktor Trager. Grund für das Minus sei "mit
Sicherheit die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in den letzten
Monaten". Und: Der psychologische Effekt der drohenden globalen Rezession
trage nicht unbedingt zur Besserung bei.
WWF mit gleichem Schicksal
"Klare Befürchtungen", dass sich die
Finanzkrise nächstes Jahr auf die Spendenfreudigkeit niederschlägt, hat
Gerhard Pock, stellvertretender Geschäftsführer von WWF Österreich. Die
Diskussion um die Inflation und die Teuerung mache sich seit dem Frühjahr
bemerkbar. Den heurigen Rückgang beim WWF bezifferte Pock mit 10 bis 20
Prozent.
Ärzte ohne Grenzen, Greenpeace
Ärzte ohne Grenzen und
Greenpeace konnten noch keine Prognosen abgeben. "Wir merken auch, dass es
schwieriger wird. Zahlen haben wir noch keine", sagte Elisabeth Nyanda,
Fundraising-Verantwortliche bei Ärzte ohne Grenzen. In den nächsten Jahren
werde es generell einen Spendenrückgang geben, meinte Greenpeace-Sprecher
Attila Cerman. Heuer werde das Konto der Umweltorganisation in etwa auf dem
gleichen Stand bleiben. Die meisten Unterstützer haben nämlich
Jahresaufträge - und einen solchen zu stornieren, dauere länger, als einen
Erlagschein nicht einzuzahlen.
Diakonie bangt auch
"Wenn jeder den Gürten enger schnallt, macht
man am oft beim Spenden einen Abstrich", meinte Bettina Klinger, Sprecherin
der Diakonie Österreich. Schon Anfang des Jahres habe es einen Einbruch
gegeben. Für das Gesamtjahr sei "wahrscheinlich" ein leichter Rückgang zu
erwarten. Konkretes sei aber noch nicht bekannt.
Sponsoring dürfte schrumpfen
Wo die aktuelle Krise weit
tiefere Spuren hinterlassen könnte, ist der Bereich des Sponsoring. 20 bis
30 Prozent aller österreichischen Spenden kommen nämlich von Unternehmen, so
Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria. Und
"ganz vorn dabei" seien Banken, denen die Turbulenzen auf dem Kapitalmarkt
teils stark zugesetzt haben.
In anderen Ländern könnte es auch im Bereich der Stiftungen zu massiven Spendeneinbrüchen kommen. In Deutschland, der Schweiz oder in den USA etwa gebe es viele gemeinnützige Stiftungen, die jedes Jahr hunderte Millionen Euro an Fördersummen ausschütten. Stiftungen haben ihr (oft milliardenschweres) Kapital meist veranlagt und nun möglicherweise viel Geld verloren, gab Lutschinger zu bedenken. Österreich sei davon wenig betroffen, da es hierzulande kaum gemeinnützige, sondern fast nur Privatstiftungen gebe.
Hoffen aufs Christkind
Alle Hoffnung liegt nun auf Weihnachten,
die traditionell spendenfreudigste Zeit. Wenn sich die Diskussion über die
Finanzkrise in eine andere Richtung dreht und sich die Stimmung verbessert,
könnte der bisherige Einbruch noch aufgefangen werden, waren sich
Caritas-Präsident Franz Küberl, Harald Blümel vom Hilfswerk sowie
Lutschinger und Nyanda einig. Möglicherweise sei die Solidarität mit den
Ärmeren dann umso stärker. "Auch beim Tsunami waren die Leute nicht viel
reicher", sagte Blümel.
Licht ins Dunkel, das seine alljährliche Aktion am Ende November startet, hofft ebenfalls, dass die Spender weiterhin Vertrauen haben, sagte Licht-ins-Dunkel-Präsidentin Christine Tschürtz-Knie. Optimistisch ist auch Klinger, sie hat "nicht so große Befürchtungen".
Viktor Trager von SOS-Kinderdorf verstreut ebenfalls Zuversicht und appellierte an die Spender, gerade in wirtschaftlich schlechteren Zeiten nicht nicht mehr zu spenden. "Trotz allem" seien viele Menschen in Mitteleuropa in der Lage, einen Beitrag von zwei oder fünf Euro zu leisten. Obwohl die Kinderzahl sinkt, steige der Bedarf.
Von der Steuer absetzen
Damit auch Besserverdiener und Firmen den
einen oder anderen Euro (mehr) springen lassen, müssen sie mit der
steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden gelockt werden, so alle Vertreter der
Hilfsorganisationen unisono. Laut einer Studie würde das zu einem Anstieg
von 8 bis 10 Prozent bei Unternehmen und einem Zuwachs von 3 Prozent bei
Kleinspendern führen. Auch Küberl nahm die Politik in die Verantwortung. Bei
der (Doch-nicht-Einführung der) Mindestsicherung habe "der letzte Wille
gefehlt", kritisierte er.