Die Milchbauern liefern keine Milch mehr aus, sondern verschenken sie und blockieren die A9.
Rund 50 Traktoren sind für die Protestaktion der IG-Milch gegen die niedrigen Milchpreise als Begleitaktion zum angelaufenen Lieferstreik Montagvormittag am Linzer Hauptplatz aufgefahren. Dabei wurde Milch an die Passanten verschenkt. Zwischenfälle gab es keine.
"Bitte um Verständnis"
Die Bauern waren mit ihren
Zugmaschinen und zum Teil mit Anhängern aus der Umgebung in die
Landeshauptstadt gefahren. Das sorgte im Frühverkehr für Behinderungen. Auf
den Traktoren waren Schilder angebracht, die um Verständnis ersuchten. Am
Hauptplatz wurden die Landwirte bereits von der Polizei erwartet. Die
Beamten wiesen sie auf bereits reservierte Plätze unter anderem vor der
Dreifaltigkeitssäule ein.
"Knechte der Agrarpolitik"
Auf Transparenten auf den
Anhängern stand unter anderem "Es reicht", "Lebensmittel
zum Spottpreis", "Unsere Forderung: Kostendeckender Milchpreis"
und "Wir sind keine Knechte der Agrarpolitik". Zu den Bauern
gesellte sich der frühere FPÖ-Landtagsabgeordnete und nunmehr für das BZÖ
kandidierende Herbert Aspöck.
Milch verschenkt
Aus mitgebrachten Milchbehältern wurde an die
wegen des Regenwetters wenigen Passanten frische Milch vom Hof verschenkt.
Sie konnten sie aus Plastikbechern gleich trinken. Sie erhielten aber auch
das Angebot, sie könnten die Milch mitnehmen, wenn sie ein Gefäß dafür
bringen. Anschließend geht's weiter zur Landwirtschaftskammer und zu
ÖVP-Agrarlandesrat Josef Stockinger ins Landhaus.
"Bumerang für die Bauern"
Stockinger warnte
vorab, dass sich ein neuerlicher Lieferboykott als Bumerang für die
Milchbauern erweisen könnte, weil holländische und norddeutsche Molkereien
die Chance nutzen und noch mehr ihrer Produkte in österreichischen Regalen
platzieren würden. Anstatt dass die Bauern ihr Einkommen wegschütten, müsse
sich der gesamte politische Druck auf die neue EU-Kommission konzentrieren,
so der Landesrat.
"Preise sind extrem schlecht"
Der Landesobmann des
ÖVP-Bauernbundes und Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich,
Hannes Herndl, erklärte, als Milchbauer verstehe er die Sorgen und Nöte in
den Betrieben. Die Preise seien extrem schlecht. Unüberlegte Maßnahmen lehne
er aber ab.
Schleuderimporte befürchtet
Der Landesvorstand des
Bauernbundes, dem Vertreter aller Bezirke angehören, habe sich in einer
Sondersitzung in einem einstimmigen Beschluss gegen einen Milchlieferboykott
zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen. Auch er befürchtet Schleuderimporte
aus Norddeutschland, Frankreich und den Niederlanden. Dadurch gerate der
Preis für heimische Milch noch mehr unter Druck, warnte Herndl. Der
Bauernbund fordere hingegen unter anderem ein Umdenken der Europäischen
Kommission und finanzielle Mittel für die Bauern.
"Wichtiges Alarmsignal"
Der Vorsitzende der
SPÖ-Bauern, Franz Hochegger, stellte fest, der Lieferstreik der Milchbauern
sei ein wichtiges Alarmsignal. Er forderte die heimische Agrarpolitik zum
Handeln auf, unter anderem eine Verdoppelung von Milchkuhprämie und
Milchzuschuss sowie keine Mehrbelastung beim Einheitswert. Es sei richtig,
dass die EU handeln müsse, aber erste Schritte müssten sehr wohl national in
Österreich gesetzt werden.
A9-Knoten blockiert
Rund 100 Bauern haben Montagvormittag mit
etwa 50 Traktoren und einigen Kühen den A9-Autobahnknoten St. Michael bei
Leoben in der Obersteiermark teilweise blockiert. "Stirbt der Bauer, stirbt
das Land", "Wir haben Recht auf Zukunft" und "Fairer Lohn für faire Arbeit"
sowie direkt an Politik und Interessensvertretung adressiert "Niki, es
reicht!" und "Herr Präsident, werden sie bitte endlich wach!" lauteten die
Parolen auf den Transparenten.
2/3 der Bauern aufgegeben
IG Milch-Sprecher Herbert Kammerhofer
sagte: "Es heißt, wir sollen weiterverhandeln. Aber wir haben die letzten 15
Jahre mit dem Handel verhandelt und auch mit der Politik, und wir haben
leider in dieser Zeit zwei Drittel der Milchbauern verloren."
Die Verkehrsbehinderungen hielten sich in Grenzen: Der Transit auf der A9 Pyhrnautobahn sowie der S6 Semmering- und S36 Murtal-Schnellstraße war nicht betroffen, lediglich jene Verkehrsteilnehmer, die von der Autobahn auf die Schnellstraßen wechselten und umgekehrt, mussten Umleitungen in Kauf nehmen.