Die US-Finanzkrise zieht weitere Kreise. Das viertgrößte US-Geldinstitut verbuch Verlust: Wachovia schreibt 393 Mio Dollar ab.
Finanzkrise trifft Wachovia
Die Hypothekenkrise hat der
viertgrößten US-Bank Wachovia überraschend deutlich die Bilanz verhagelt. Im
ersten Quartal habe das Institut einen Verlust verbucht, teilte die Bank am
Montag mit. Analysten hatten trotz der Belastungen infolge der Kreditkrise
mit einem Gewinn gerechnet. Die in Charlotte im Bundesstaat North Carolina
ansässige Bank will nun mit einer Kürzung der Dividende und einer
Kapitalaufstockung ihre finanzielle Lage stabilisieren. Zudem ist ein
Stellenabbau geplant.
Der Aktienkurs von Wachovia fiel nach Börsenbeginn in New York um fast neun Prozent. Der Quartalsverlust habe einschließlich Sonderposten 393 Mio. Dollar (248 Mio. Euro) oder 20 Cent je Aktie betragen, teilte Wachovia mit. Ohne Sonderposten habe der Verlust bei 270 Mio. Dollar oder 14 Cent je Aktie gelegen. Zudem gab die Bank den Nettoverlust vor Berücksichtigung der Anteile Dritter mit 350 Mio. Dollar an. Die Einnahmen bezifferte das Institut in dem Vierteljahr mit 7,9 Mrd. Dollar, was einem Minus von fünf Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2007 entspricht.
Weitere Banken veröffentlichen Zahlen
Weltweit öffnen die
Banken ab jetzt wieder ihre Bücher und legen Zahlen für das Auftaktquartal
2008 vor. Erste Warnungen lassen erahnen, dass das viel beschworene Ende der
Krise noch weit entfernt ist: Die Deutsche Bank und die Schweizer UBS
kündigten bereits neue Milliardenabschreibungen an. Und bei den US-Häusern
überschlagen sich die Verlustschätzungen fast täglich. "Der
Liquiditätsschock im Markt ist noch lange nicht behoben", sagt der
Frankfurter Bankenprofessor Thomas Heidorn.
Prominente Banken legen Zahlen vor
Traditionell decken die
US-Banken ihre Karten zuerst auf, gut ein halbes Dutzend noch in dieser
Woche mit so prominente Namen wie Citigroup, J.P. Morgan Chase und Merrill
Lynch. Die nach ihrer Fast-Pleite vor der Übernahme stehende Investmentbank
Bear Stearns sollte noch im Lauf des Montags einen massiven Gewinneinbruch
bekanntgeben.
Die höchsten neuen Berichtigungen befürchten Analysten für die heftig gebeutelte Citigroup mit nochmals weit über zehn Mrd. Dollar (6,3 Mrd. Euro). Der neue Konzernchef Vikram Pandit stellt alles auf den Prüfstand. Selbst die Citibank in Deutschland könnte laut Gerüchten zum Verkauf stehen. Auch unter dem Strich erwarten Experten bei Citigroup und manch anderen Häusern erneut rote Zahlen.
J.P. Morgan überrascht mit guten Zalen
Nur die
Großbank J.P. Morgan sticht bisher positiv heraus. Sie ging mit dem Kauf von
Bear Stearns auf Schnäppchenjagd und hält nach weiterer Beute Ausschau. So
rettete sich die größte US-Sparkasse Washington Mutual eben mit einer
Milliarden-Kapitalspritze vor einer drohenden Übernahme durch J.P. Morgan.
Der Bedarf der Banken an solch frischem Geld ist weltweit nach wie vor
enorm. Rund 140 Mrd. Dollar könnten die Institute noch brauchen, schätzt
Credit Suisse, nach etwa 160 Mrd. Dollar durch neue Investoren bisher.
Kritiker schimpfen immer schärfer über "Salamitaktik" und "Vertrauensbruch", weil die Probleme nur häppchenweise an die Öffentlichkeit kommen. Zwar rechnen die Märkte bereits mit neuen Lasten und reagieren weniger panisch als zu Beginn der Krise. Aber viele werfen den Banken vor, Verluste zu verstecken, statt ein für alle Mal reinen Tisch zu machen. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann widersprach als Präsident des internationalen Bankenverbands IIF zuletzt heftig und verwies auf entsprechende Bilanzregeln.
Faule US-Hauskredite
Das Problem: Banken müssen ihre
Vermögenswerte zu aktuellen Kursen bewerten ("Mark-to-Market"). Da der Markt
für zweitklassige US-Hauskredite ("Subprime") zusammenbrach und die Krise
nach und nach nun auch höherwertige Anlageklassen erfasst, wurden immer mehr
Papiere unverkäuflich. "Abschreibungen, die zu früheren Zeitpunkten nicht
notwendig waren, werden dadurch erst schrittweise erkannt", betonte
Ackermann. Bestes Beispiel ist sein eigenes Haus: Die Deutsche Bank hatte
die Krise Ende 2007 bereits weitgehend abgehakt - dann musste sie für das
erste Quartal 2,5 Mrd. Euro neue Lasten ankündigen - mehr als im ganzen
letzten Jahr. "Es ist definitiv so, dass die Portfolios in den letzten drei
Monaten weniger wert geworden sind", unterstreicht auch Experte Heidorn.
Soros: Eine "Superblase" platzt
Genauso schrittweise
klettern die Schätzungen für das gesamte Ausmaß der Krise. Jüngste
Hausnummer des Internationalen Währungsfonds (IWF): Die Turbulenzen werden
die Wirtschaft rund eine Billion US-Dollar kosten - in Zahlen:
1,000.000,000.000. Und wann ist der Schrecken vorbei? Goldman-Sachs-Chef
Lloyd Blankfein sieht mehr als die Hälfte überstanden: "Wir sind dem Ende
der Krise näher als dem Anfang." Der legendäre Finanzjongleur George Soros
aber spricht vom Platzen einer "Superblase" und erwartet das Schlimmste erst
noch.
In der Branche wird auf der Suche nach den Schuldigen unterdessen der Ruf nach einer Änderung der Bilanzregeln weg von "Mark-to-Market" zumindest in Krisenzeiten immer lauter. Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Klaus-Peter Müller, reihte sich unter die Befürworter ebenso ein wie Bundesbank-Vize Franz-Christoph Zeitler. Auch Bankenprofessor Heidorn nennt die Form der Bilanzierung destabilisierend. Auf der anderen Seite könnte den Banken nach der Krise das "Mark-to-Market"-Prinzip wieder ganz recht sein. "Dann werden Institute, die jetzt Abschreibungen vornehmen mussten, kräftige Zuschreibungen verbuchen - und die Gewinne könnten wieder sprudeln", sagt der Frankfurter Bankenprofessor Reinhard Schmidt. Spätestens dann dürften sich die Institute auch wieder auf die Vorlage ihrer Quartalszahlen freuen.