Die Böhler-Uddeholm-Übernahme belastet das Ergebnis fünf bis sechs Jahre lang. Dennoch wurde ein kräftiger Umsatzzuwachs erzielt.
Beim börsennotierten Stahlkonzern voestalpine jagt ein Megadeal den anderen. Eben erst haben die Oberösterreicher den Edelstahlkonzern Böhler-Uddeholm um bisher 3 Mrd. Euro zu 80,3 Prozent übernommen und schon ist heute, Dienstag, die nächste Milliarden-Investition offiziell bekanntgegeben worden: Die Voest plant ein zweites Stahlwerk an der Schwarzmeerküste, das die Kapazität bis 2013 auf 11 Mio. Jahrestonnen verdoppeln, Tausende Mitarbeiter beschäftigen und den bisher alleinigen Stahlwerks-Standort Linz ergänzen soll.
Neuer Komplettstandort gesucht
Für den neuen Komplettstandort,
der jährlich 5 Mio. Tonnen Stahl produzieren soll, kommen die Länder
Bulgarien, Rumänien, Ukraine oder die Türkei infrage. Die Entscheidung
darüber falle 2008, die Produktion in CEE könnte frühestens Ende 2012 oder
Anfang 2013 anlaufen. Die massive Kundennachfrage und das dynamische
Marktwachstum in Osteuropa seien mit Linz allein nicht mehr zu bewältigen.
Die Investitionskosten dafür wollte Eder noch nicht beziffern.
Hybridanleihen für Übernahme
Zur Finanzierung der
Übernahme von Böhler-Uddeholm hat die voestalpine erst kürzlich eine
Hybridanleihe im Volumen von 1 Mrd. Euro platziert. Der Ankauf von bis dato
80,3 Prozent an Böhler hat bisher 3 Mrd. Euro gekostet - für die
Komplettübernahme braucht die Voest laut Eder 3,7 Mrd. Euro. Bis November
2008 laufe ein entsprechender Überbrückungskredit. Für den dann noch offenen
Restbetrag könne ein syndizierter Bankkredit aufgenommen werden. Je nach
Marktumfeld sei aber auch noch die Begebung einer Anleihe im Volumen von
etwa 500 Mio. Euro denkbar, sagte Finanzvorstand Robert Ottel.
Kräftiger Ertragszuwachs trotz Böhler-Übernahme
Der
Ankauf der Böhler-Gruppe hat sich im ersten Halbjahr 2007/08 deutlich auf
den Ertrag der voestalpine niedergeschlagen, der aber immer noch mit
kräftigen Zuwächsen glänzte. Der Gewinn je Aktie erhöhte sich zwar von 2,01
auf 2,74 Euro - ohne die Sondereffekte infolge des Deals, die in Form von
einer "Kaufpreisallokation" (Purchase Price Allocation, PPA) Eingang in die
Bilanz finden, wäre der Ertrag allerdings um rund 60 Prozent auf 3,3 Euro je
Aktie noch kräftiger gestiegen.
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Der Sondereffekt werde in den ersten Jahren nach der Übernahme sehr groß sein und dann mit der Abschreibung zurückgehen, erklärte Ottel. "Das heißt, wir werden in den nächsten fünf bis sechs Jahren eine Ergebnisbelastung haben", so der Finanzvorstand.
Ergebnis
Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) erhöhte sich
in den ersten sechs Monaten um 37,1 Prozent auf 612 Mio. Euro - ohne
Kaufpreisallokation hätte der Zuwachs laut Eder 63 Prozent auf 732 Mio. Euro
betragen. "Das EBIT von Böhler-Uddeholm wird durch die Kaufpreisallokation
praktisch zur Gänze reduziert", sagte Ottel.
Die EBIT-Marge verschlechterte sich von 13,3 auf 12,9 Prozent. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) nahm um 46,5 Prozent auf 904,7 Mio. Euro zu, der Ertrag nach Steuern (Jahresüberschuss) verbesserte sich von 328,8 auf 434,4 Mio. Euro. Der Umsatz kletterte von 3,37 auf 4,75 Mrd. Euro.
Nettoverschuldung auf 4,22 Milliarden explodiert
Die
Nettoverschuldung der voestalpine hat der Böhler-Kauf vorerst einmal von
335,6 Mio. auf 4,22 Mrd. Euro in die Höhe katapultiert: Im ersten Halbjahr
2007/08 hat sich die Nettofinanzverschuldung in Prozent des Eigenkapitals
(Gearing) gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 12,2 auf 121,4 verschlechtert.
Die "nachhaltig sinnvolle Relation" für das Gearing liege zwischen 30 und 50
Prozent. "Ich persönlich glaube, dass wir uns in drei bis vier Jahren in
diesem Gearing-Rahmen bewegen werden", meinte Eder. Solange wird die
voestalpine brauchen, um die Böhler-Übernahme zu verdauen.
Die Synergien aus der Übernahme - ursprünglich mit 65 Mio. Euro beziffert - liegen mittlerweile bei 81 Mio. Euro und sind den Schätzungen Eders zufolge auf rund 100 Mio. Euro jährlich ausdehnbar. Allerdings würden diese erstmals 2010/11, also in drei Jahren, nachhaltig Jahr für Jahr wirksam.
Zukunft von zunehmenden Unsicherheiten geprägt
Der
längerfristige Ausblick für den Stahlkocher sei "von zunehmenden
Unsicherheiten geprägt", sagte Eder und verwies auf die ungünstige
Euro-Dollar-Wechselkursrelation und die politischen Spannungen in
Krisenregionen. "Da kommt infolge der US-Subprime-Krise einiges auf uns zu",
so der Voest-Chef. Für die längerfristige Entwicklung müsse man damit
rechnen, dass die Gelassenheit und Sicherheit der vergangenen zwei Jahre
vorbei sei. Die Nervosität werde in der zweiten Hälfte des laufenden
Geschäftsjahres steigen, auch wenn es operativ nicht schwieriger werde.
Umsatz und Ertrag würden sich auch im gesamten Geschäftsjahr weiter
verbessern. Die Nachfrage sei stabil auf hohem Niveau.
Die voestalpine-Aktie notierte heute, Dienstag, gegen 14.30 bei 53,76 Euro - um 3,52 Prozent schwächer gegenüber dem Schlusskurs vom Montag.