Obwohl das Anlegen von detallierten Krankenstandsdateien rechtswidrig ist, will Aufsichtsratschef Pöchhacker erst die Verantwortung dafür abklären.
Der am Dienstag tagende Aufsichtsrat der ÖBB-Holding wird in Sachen Datenaffäre keinen Schnellschuss abgeben und erst die Untersuchung der Verantwortlichkeiten abwarten, ehe allenfalls personelle Konsequenzen gezogen werden. Das sagte Horst Pöchhacker, der dem Kontrollgremium vorsteht, Samstagmittag auf Ö1.
"Klugar ist ein Fachmann"
Dem Aufsichtsrat werde die
volle Sachlage kommenden Dienstag nicht vorliegen, daher könnten in der
Causa noch keine Entscheidungen getroffen werden, so Pöchhacker: "Sich
einzelne herauszupicken und zu sagen, der ist schon vorverurteilt, das wird
nicht passieren", antwortete Pöchhacker indirekt auf die Frage, ob
ÖBB-Chef Peter Klugar gehen solle. Nach dem Abgang von Martin Huber habe man
nach einem Fachmann gerufen und "Klugar ist ein exzellenter Fachmann",
erinnerte er.
"Untaugliche Mittel" gegen Missbrauch
Mit den "diagnoseähnlichen
Vermerken" auf den Personalbögen seien "Fehler begangen"
und Recht gebrochen worden - die ÖBB hätten aber ein Problem mit den weit
hohen Krankenständen gehabt, so der frühere Porr-Chef. Ein Drittel der
ÖBBler seien praktisch nie krank gewesen, ein weiteres Drittel sei im
ASVG-Durchschnitt gelegen, nur ein weiteres Drittel sei "30, 40, 50,
bis zu 60 Tage krank gewesen". Es sei zu vermuten, dass mit
Krankenständen Missbrauch betrieben worden sei, ein Missbrauch, den das
Management mit "untauglichen Mitteln abstellen wollte".
Aufsichtsrat wusste nichts
Inzwischen ist der durchschnittliche
Krankenstand von 27 auf 17 Tage pro Jahr gesunken. Der Aufsichtsrat erwarte
vom Management, dass dieser Erfolg nicht gefährdet werde, das Management
müsse aber "mit rechtskonformen Mitteln" vorgehen, sagte
Pöchhacker. Die Datenaffären bei Lidl Deutschland und der Deutschen Bahn
seien mit den ÖBB nicht vergleichbar. Im Aufsichtsrat war laut Pöchhacker
nur allgemein über das Thema "Reduktion der Krankenstandstage"
diskutiert worden.
Haberzettl "wollte Nigl verhindern"
Kritik übte
Pöchhacker an ÖBB-Betriebsratschef und Eisenbahngewerkschafter Wilhelm
Haberzettl: Dieser hätte die Sache in die Gremien tragen sollen, statt sie "über
die Medien auszurichten" - schließlich sitze Haberzettl im
Aufsichtsrat. Pöchhacker äußerte die Vermutung, Haberzettl habe den früheren
Personalchef Franz Nigl als Chef der "Traktion" ("Lokomotivgesellschaft"
der Bahn) verhindern wollen. Unter der Ägide Nigls als Personalchef hätten
die ÖBB immerhin 6.000 Posten abgebaut.
Haberzettl wehrt sich
Betriebsratschef Haberzettl lässt die
Angriffe nicht auf sich sitzen. Da die Datenspeicherung längst
bekanntgewesen sei, liege weder eine Verletzung eines Geschäfts- noch eines
Betriebsgeheimnisses vor, so Haberzettl. Auch Pflichtverletzung habe es
keine gegeben.
Gegen "Mantel des Schweigens"
Offenbar wolle Pöchhacker
die Affäre so klären, "dass hinterher für die Öffentlichkeit nichts mehr
nachzuvollziehen ist", ging Haberzettl zum Gegenangriff über. "Den Mantel
des Schweigens darüber zu breiten - wie offensichtlich jetzt gefordert wird
- das wäre aber sehr wohl als eklatante Pflichtverletzung zu bezeichnen."
"Wenn Dinge vorher im Aufsichtsrat zu diskutieren gewesen wären, dann wären das zum Beispiel die 619 Millionen Euro, die vom Management verspekuliert worden sind, aber auch die exorbitant hohe Abfertigung des ehemaligen ÖBB-Generaldirektors Huber gewesen", so der Gewerkschafter. "Außerdem erhebt sich natürlich auch die Frage, wie viele Manager durch die Anwendung der unredlichen Vorgangsweisen im Personalbereich ihre Bonuszahlungen erlangt haben."