Schlaf ist ein entscheidender Faktor für unsere Gesundheit. Doch es kursieren viele Mythen und falsche Vorstellungen über dieses wichtige Thema. Eine renommierte Schlafmedizinerin liefert nun mit einem neuen Buch das Wissen für besseren Schlaf.
Schlaf ist ein Grundbedürfnis wie Essen und Bewegung. Bekommen wir nicht genug davon, beeinträchtigt das unseren Organismus, so Schlafmedizinerin Prof. Birgit Högl im Buch „Besser schlafen“. Zu wenig Schlaf verringert etwa unsere geistige Leistungsfähigkeit. Man könne bei Schlafmangel Aufgaben schlechter bewältigen, die hohe geistige Leistungsfähigkeit erfordern, wie komplexe Entscheidungen zu treffen. Doch auch monotone Tätigkeiten wie Auto fahren lassen sich schlechter durchführen. Sogar unsere Hilfsbereitschaft und unser Sozialverhalten werden beeinflusst: „Nach nur einer Nacht mit zu wenig Schlaf verhalten sich Menschen anderen gegenüber weniger hilfsbereit“, so die Ärztin.
Außerdem genügt nur eine Nacht Schlafentzug, um die Anfälligkeit für eine gewöhnliche Erkältung nachweislich zu erhöhen. Laut einer Studie bildeten Menschen, die in den Tagen vor einer Impfung nur sechs Stunden oder weniger geschlafen hatten, nach der Vakzine weniger Antikörper – die Immunantwort auf die Impfung war also reduziert. Darüber hinaus zeigte sich, dass auch die Dauer des Impfschutzes kürzer war, wenn vor der Impfung zu wenig geschlafen wurde. Schlafstörungen können zudem Aufschluss auf Krankheiten und sogar erst viele Jahre später eintretende Krankheiten wie Demenz geben. Schlaf sei also ein entscheidender Faktor für unsere Gesundheit und daher möchte die Expertin fundiertes Wissen darüber verbreiten und mit Mythen aufräumen.
Schlaffenster
Mythos: „Es ist egal, wann wir schlafen. Hauptsache, lang genug. „Das ist nicht korrekt, denn nicht nur Schlafmangel oder Schlaf in schlechter Qualität sind problematisch, sondern auch Schlaf zu einem Zeitpunkt, der nicht mit der eigenen inneren Uhr in Einklang ist. Es gibt außerdem so etwas wie ein biologisches Fenster für den Schlaf: In dieser Zeit sind die besten Voraussetzungen gegeben, dass der Schlaf eintreten kann und dass er eine gute Kontinuität aufweist. Generell sollten wir möglichst einen Hauptteil unseres Schlafes bekommen, wenn es draußen dunkel ist, das entspricht der menschlichen Biologie am besten.
Mouth-Taping
Mythos: Einer der Hypes auf TikTok der letzten Jahre ist Mouth Taping. Dabei kleben sich Menschen ein Pflaster über den Mund, weil sie damit angeblich besser schlafen. Laut Prof. Högl Unsinn: Denn ist die Nasenatmung frei und liegt keine obstruktive Schlafapnoe oder eine andere behandlungsbedürftige Erkrankung vor, ist der Mund während des Schlafs ohnehin meist geschlossen. Auch die Körperlage spielt eine Rolle. Hat man Schlafprobleme, sollte man die Ursache abklären lassen, siehe auch „Schlafdauer & Geschlecht“.
Lärm
Mythos: „Wer bei Lärm schlafen kann, hat eben einen besonders guten, tiefen Schlaf.“ Aber auch Lärm, der einen nicht aufweckt und an den man sich vermeintlich gewöhnt hat, schadet der Schlafqualität. Ohrstöpsel auch Wachs bieten die beste Lärmreduktion. Gegen sehr lautes Schnarchen, das bis zu 90 Dezibel erreicht, helfen sie aber kaum. Hat man genügend Wohnraum zu verfügen, könnte man in einem anderen Raum schlafen. Plus: Die schnarchende Person sollte sich untersuchen lassen.
Matratzen
Mythos: „Wie man sich bettet, so schläft man.“ Das stimmt nur bedingt. Genau genommen wird zu viel Aufhebens um die perfekte Bettstatt gemacht. Timing und Temperatur sind weitaus wichtiger. Die einzige relevante Empfehlung: Wir sollten möglichst flach liegen. Kurze Sofas oder Fernsehstühle sind daher nicht ideal für einen erholsamen Schlaf. Tipp der Ärztin: Sind Hände und Füße warm, kann man besser schlafen. Die Raumtemperatur: Für einen guten Schlaf sollte es nicht zu kalt, aber auch nicht zu heiß sein. Die individuelle Temperatur-Präferenz kann sich aber im Laufe des Lebens ändern.
Belastbarkeit
Mythos: „Fleißige und belastbare Menschen brauchen weniger Schlaf.“ Prof. Högl sagt aber: Nur gut ausgeschlafene Menschen sind überhaupt leistungsfähig. Wer meint, zu den Menschen zu gehören, die ganz wenig Schlaf brauchen, leidet womöglich schon an chronischem Schlafmangel, ohne es zu wissen. Um Schlafmangel zu bekämpfen, greifen viele Menschen zu Wachmachern – statt die nächtliche Ruhe zu fördern. Niemand bestreitet, dass gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung wichtig sind. Beim Schlaf sind wir laut Prof. Högl noch nicht ganz so weit.
Oversleeping
Mythos: „Schlafmangel von unter der Woche durch ,oversleeping‘ am Wochenende kompensieren“. Ein wenig können die Folgen eines Schlafmangels, der sich im Laufe der Woche angesammelt hat, durch ein „oversleeping“ am Wochenende tatsächlich gemindert werden. Aber: Völlig aufheben kann man sie dadurch nicht. Wir brauchen am Ende jedes einzelnen Tages unsere Nachtruhe.
Schlafdauer & Geschlecht
Mythos: „Männer und Frauen haben den gleichen Schlafbedarf.“ Das ist nicht korrekt, denn Männer brauchen durchschnittlich sieben bis acht Stunden, Frauen acht bis neun Stunden. Es ist meist ein normales physiologisch erhöhtes Schlafbedürfnis. Hat man aber das Gefühl es könnte eine Krankheit dahinterstecken, kann man ein Schlaflabor aufsuchen. Übrigens, Schlafprobleme und Schlafstörungen in den Wechseljahren werden sehr häufig auf den veränderten Hormonspiegel geschoben. Doch laut der Ärztin muss man die ganze Palette der Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen erst ausschließen oder bestätigen, bevor man nur über die Hormone spricht.