Stress ist meist unvermeidbar. Vor allem die Vorweihnachtszeit kann überfordern. Man kann und soll auch gar nicht auf Schonkurs gehen, sondern Wege finden, besser mit dem Druck umzugehen. Zehn Tipps für eine entspanntere Zeit.
Eigentlich sollte die Vorweihnachtszeit geprägt sein von Besinnlichkeit, Ruhe und Entspannung. Doch für viele Menschen bedeutet sie hingegen Stress, Druck und Erschöpfung. Eine Kombination aus mehreren Faktoren kann eine Überlastung verursachen: Beispielsweise mehr Arbeit im Büro aufgrund der bevorstehenden Feiertage, (gesellschaftliche) Verpflichtungen, Einkäufe und Weihnachtsvorbereitungen etc.
Die Gesundheit der Psyche ist ein wesentlicher Teil des Wohlbefindens. Sie betrifft alle und nicht bloß Menschen mit psychischen Krankheiten. Daher sollte man seine Empfindungen ernst nehmen und sich unbedingt Hilfe von Expert:innen holen oder sich selbst helfen, wenn man sich nicht wohlfühlt (siehe auch Punkt 10). Denn: „Erleben wir immer wieder, dass wir belastende Situationen nicht kontrollieren können, fühlen wir uns danach passiv und hilflos. Wir entwickeln dadurch auch keinen Antrieb, solchen Situationen zu entkommen oder sie zu ändern“, schreiben die „Seelendocs“.
„Stress happens“
Doch es geht nicht darum, Stress aus dem Leben zu eliminieren. Das Ziel ist nicht auf Schonkurs zu gehen, sondern resilient, also widerstandsfähig zu werden. Denn Gesundheit liegt laut Psychiaterin Dr. Esther Pauchard an der Grenzlinie zwischen Komfort- und Abenteuerzone. Zur Wiedererlangung der mentalen Stärke kann man ihr zufolge etwa die eigenen Ressourcen nutzen. Das sind Kraftquellen oder Helfer wie Hobbys oder Tätigkeiten, die zwischendurch Freude bereiten und stärken – auch liebe Menschen können Kraft spenden. Falls Sie Ihre Ressourcen noch nicht kennen, können Sie sich von den nachstehenden Strategien inspirieren lassen. Mithilfe des ersten Tipps können Sie gleich versuchen, ihre „Werkzeuge“ zu ergründen.
1. Ressourcen finden
Dr. Pauchard erklärt im Buch „Jenseits der Sprechstunde“, wie man seine Belastungs- und Schutzfaktoren findet: Nehmen Sie ein leeres Blatt Papier und einen Stift, zeichnen Sie einen grossen Kreis in die Mitte. Ausserhalb des Kreises schreiben Sie alles, was Ihnen Stress bereitet. Schreiben Sie in den Kreis, was Ihre Last noch erhöht. Notieren Sie nun außerhalb des Kreises mit einer positiven Farbe, wer oder was Sie in der aktuellen Stresssituation stützt. In den Kreis schreiben Sie in einer positiven Farbe nun welche Haltung oder welche Gedanken ihrer Situation dienlich sein können.
2. Nein zum Perfektionismus
Dr. Pauchard empfiehlt, nicht zu streng zu sich zu sein. Es ist nicht nötig, in das „Alles-oder-nichts-Prinzip zu verfallen. Also: Distanzieren Sie sich von „entweder ich schaffe es perfekt, oder es ist wertlos“. Man solle bedenken: Wäre Alexander Fleming – Erfinder des Penicillins – Perfektionist gewesen, hätten wir eine der wichtigsten Entwicklungen der modernen Medizin verpasst. Der Bakteriologe hatte vor dem Urlaub die Petrischale mit einer Bakterienkultur nicht ausgewaschen. Bei seiner Rückkehr stellte er fest, dass der Schimmelpilz, der darauf gewachsen war, die Bakterien zerstört hatte – so entstand das Penicillin.
3. Gedankenspirale durchbrechen
60.000 bis 70.000 Gedanken pro Tag gehen uns durch den Kopf, das heißt ein Gedanke pro Sekunde. Diese Gedanken sind laut Dr. Pauchard allerdings keine innovativen Geistesblitze, sondern z. B. Erinnerungen, Beobachtungen oder Meinungen anderer, die sich als Endlosschleife un unserem Kopf drehen. Da sie unsere Haltung, unsere Einstellung und unsere Sicht beeinflussen, solle man sie am besten aussortieren – insbesondere in schwierigen, belastenden Zeiten. Beobachten Sie daher Ihre Gedanken objektiv, als würden Sie ein spannendes Naturphänomen betrachten. Versuchen Sie sich von negativen Gedanken zu distanzieren. Bedenken Sie: Sie sind nicht Ihre Gedanken, sondern haben Gedanken. Vermeiden Sie Generalisierungen wie „es ist schiefgelaufen, also wird es immer schieflaufen“. Auch Schwarz-Weiß-Denken kann belastend sein wie etwa „ich habe einen Fehler in meiner Arbeit gemacht, deshalb hat meine Arbeit
keinen Wert“.
4. Bauchatmung
Um bei einer Überbelastung ein Gefühl von Atemnot und eine Panikattacke zu vermeiden, soll man laut den Seelendocs „in den Bauch atmen“. Man legt beide Hände auf den Bauch, und atmet ein paar Minuten lang ein und aus, sodass man sehen kann, wie sich die Bauchdecke hebt und wieder senkt.
5. (Gemeinsames) Lachen
Lachen hilft bei der Stressbewältigung. Glückshormone wie Serotonin und Endorphine werden dabei ausgeschüttet und die Produktion von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin gesenkt. Forschenden der Universität Basel zufolge reicht aber auch ein Lächeln. Plus: Gemeinsames Lachen macht laut der Glücksstudie von Harvard nicht nur glücklich, es kann auch Beziehungen verbessern.
6. Selfcare
Die Krisenfestigkeit verbessert man, indem man sich um den Körper sorgt. Also ausreichend schläft, sich gut ernährt, genug Wasser trinkt, sich bewegt, entspannt und bewusst atmet. Dazu gehört es auch, den inneren Batteriestand regelmäßig zu überprüfen und sofort Gegenmaßnahmen zu treffen. Außerdem hilft es, Zugang zum Innenleben zu finden durch (Selbst-)gespräche, Schreiben, Meditation, etc.
7. Das Schlimmste vorstellen
Man kann seine Krisengrenze erhöhen, indem man sich in einer belastenden Situation das „Worst-Case-Szenario“ vorstellt, also den schlimmstmöglichen Ausgang einer Situation explizit durchdenkt, statt davor zurückzuweichen. Dann überlegt man: Was werde ich tun, falls das passiert. Gibt es eine Lösung, wie kann ich diese Situation trotzdem gut überstehen?
8. Vorbilder
Überlegen Sie sich, ob Sie echte Menschen oder fiktive Charaktere kennen, die Krisen oder belastende Situationen besonders gut überstehen können. Halten Sie diese Visualisierung vor Augen und nehmen Sie sie als innere Begleiter zur Unterstützung im Geiste mit.
9. Muskelentspannung
Die innere Anspannung der Psyche wirkt sich auf unsere Muskelspannung aus. Es hilft daher, die Muskeln bewusst zu entspannen. Grundprinzip: 5 Sekunden anspannen, 40 Sekunden entspannen. Kurze Anleitung: rechte Hand anspannen (Faust machen), ausatmen und lösen, linke Hand anspannen und lösen, dann den rechten Arm, den linken Arm, das Gesicht anspannen und lösen. Kopf nach vorne beugen, Kinn zur Brust, entspannen. Weiter zum Nacken, Rücken, Gesäß, Beine, Füße (jeweils anspannen und dann lösen). Zum Schluss ganzen Körper an- und entspannen, gähnen und dehnen.
10. Hilfe am Telefon
In psychischen Krisen kann man telefonische, unbürokratische, professionelle Hilfe kriegen: Sozialpsychiatrischer Notdienst Wien: Tel.: 01 31330 (0 bis 24 Uhr)
Österreichweit:
- Telefonseelsorge: Tel.: 142 (Notruf) täglich (0–24 Uhr)
- Berufsverband Österreichischer Psycholog:innen, Helpline für psychologische Beratung, Hilfe und Vermittlung: Tel.: 01 5048000, Montag bis Donnerstag 9 bis 13 Uhr