Workout im Wasser

Stoffwechsel auf Hochtouren: "Eisbaden hat denselben Effekt wie Sport"

Teilen

Immer mehr Menschen zieht es in die derzeit eiskalten Gewässer. Ein Trend mit Suchtpotenzial! Die Redaktion wagte den Test und verrät, was das Eisbaden mit Körper und Seele macht.   

Obere Alte Donau, windstill, die ersten Sonnenstrahlen berühren die spiegelglatte Wasseroberfläche. Außentemperatur 6 °Celsius, die Wassertemperatur, so verrät ein an der Treppe fixiertes Thermometer, beträgt knapp unter 4 °Celsius. Die perfekten Bedingungen. Nicht nur für Fotograf Chris Singer, der mit unserem Model Karin Singer-Golliasch für diese Fotostrecke ins Wasser steigt (die Eheleute sind bereits erfahrene Eisschwimmer). Es sind auch top Konditionen für den Selbstversuch der Redaktion. Zaghafte Annäherungen mit dem eiskalten Nass gab es bereits unter der Dusche. Das nötige Know-how kommt aus dem Buch „Winterschwimmen“ (Anm.: von Susanna Soberg, Piper Verlag).

Eisbaden: Schritt für Schritt ins Eiswasser

  1. Lektion: Man soll sich, so der Rat der Expertin, kurz vor dem Eisbad – am besten schon ohne Bademantel – mental auf die Herausforderung vorbereiten: den Kreislauf in Schwung bringen (z. B. durch Hampelmänner), dann durchatmen, Ruhe finden und den Entschluss fassen es durchzuziehen. Dieses Akklimatisieren erleichtert den Einstieg. Denn je näher sich die Hauttemperatur der des Wassers angleicht, desto angenehmer wird das Eintauchen. Oder andersrum: desto geringer fällt der Kälteschock aus.
  2. Lektion: Entschlossen und zügig agieren – anders schafft man es nicht ins Wasser. Instinktiv ziehen die Arme Richtung Himmel. Das Herz will noch nicht ins Wasser. Der Atem stockt im ersten Moment. Ruhig und tief weiteratmen ist jetzt oberstes Gebot. Der Körper sinkt langsam tiefer und das Wasser steht nun bis zum Hals – nochmal ein kleiner Kälteschock.
  3. Lektion: Der Geist muss jetzt beschäftigt werden. Langsam zählen – von eins weg –, so lautet ein guter Rat. Das lenkt das Gehirn erst mal vom Schlimmsten ab, unterstützt die Atmung sowie das Durchhaltevermögen. Mit jedem Zähler wird das Eisbad erträglicher. Etwa bei 30 stellt sich endlich der „Eis-Effekt“ ein. Der Hormon-Cocktail, den der Körper im Überlebensmodus ausschüttet, wirkt. Die glücksbringenden „Fluchthelfer“ sind die Botenstoffe Noradrenalin – das praktischerweise die Schmerzrezeptoren der Haut betäubt – sowie Endorphine und Dopamin. Der Körper befindet sich nun in der Ruhephase. Der Schock schwindet, die Atmung beruhigt sich, das Gedankenkarussell stoppt.

Ein Hoch aufs High

Diese fast meditative Phase ist jedoch ein flüchtiger Gast. Bei etwa einer Minute melden sich die Füße und Hände. Im Überlebensmodus entzieht der Körper den Extremitäten das Blut und konzentriert es auf die Organe, um deren Leistung zu wahren. Ein unangenehmes Gefühl. Routinierte Eisschwimmer gehen deshalb nicht nur mit Haube, sondern auch mit Neoprenhandschuhen und Neoprenschuhen ins Wasser. 1 Minute 20 – es reicht. Raus. Als würden sich tausende hauchdünne Nadeln in die Haut bohren – so fühlt sich der Ausstieg an. Die Haut färbt sich von kalkweiß auf knallrot und die Luft legt sich wie ein wärmender Mantel über die nasse Haut. Geschafft! Glück mischt sich mit Stolz und dem Hochgefühl, gerade Großes geleistet zu haben. Ab in den Bademantel und die Uggs!

Ein Hype, weil DER Kick

Bei einem Winterspaziergang an einem heimischen See ist der Anblick von Eisschwimmern keine Seltenheit mehr. Teils große Gruppen – organisiert über Facebook (z.B. „Eisbaden Wien“) – tauchen regelmäßig ab. Das Phänomen ist leicht erklärt: Eisbaden bringt den schnellen Kick sowie eine intensive Ausschüttung von Glückshormonen, die vergleichbar mit einem Antidepressivum ist. Zudem steigt man mit dem guten Gewissen aus dem Wasser, etwas für seine Gesundheit getan zu haben. Unter Biohackern zählt die Kälte-Therapie zu den wirksamsten Longevity-Strategien. „Etliche Studien“, schreibt Soberg in „Winterschwimmen“, „legen nahe, dass Schwimmen bzw. Baden in kaltem Wasser eine Reihe gesundheitsfördernder Effekte erzeugt.“ Es stärkt durch Zunahme der weißen Blutkörperchen das Immunsystem und beeinflusst den Metabolismus positiv. Letzteres geschieht, so die Annahme, da Kälte das sogenannte braune Fett des Körpers aktiviert. Das braune gilt im Gegensatz zum weißen Fett als gutes Körperfett. Es erzeugt Wärme und erhöht damit den Energiestoffwechsel. Zudem ist es für die Balance des Blutzuckerspiegels (Diabetes-Prävention) förderlich. Kurzum: Braunes Fett ist gut für Figur und Gesundheit. Eisbaden gilt zudem durch das Weiten und Zusammenziehen der Gefäße als gutes Herz-Kreislauf-Training. Weiters hemmt es Entzündungen, also inflammatorische Prozesse im Körper, die als Altersbeschleuniger fungieren.

Ist Eisbaden Sport?

Autorin Soberg beantwortet übrigens auch die Frage, ob Eisbaden denn tatsächlich Sport sei? „Ja!“ Eisbaden sei eine besondere Form des Ausdauersports. Wir haben uns nach unserem Test jedenfalls gefühlt wie nach dem letzten Halbmarathon (im positiven Sinne) und wunderbar geschlafen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten